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Schulbank statt Wahlurne

Schulbank statt Wahlurne
(dpa/Archiv)

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Wahlsonntage könnten in Zukunft zu einem wahren Familienausflug werden. Da finden sich dann nicht nur Mutter und Vater in der Wahlkabine wieder, sondern auch die zehnjährige Tochter und der siebenjährige Sohn inklusive Teddybär.

Dieses zugegeben etwas zugespitzte Beispiel könnte sich allerdings in Zukunft in ähnlicher Form in Deutschland abspielen. Fünfzehn Zehn- bis 17-Jährige, unterstützt von der „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“, haben nämlich beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Bundestagswahl 2013 eingereicht. Sie fordern die Annullierung der Wahl, da sich die Bundesrepublik „durch den Ausschluss der Jüngeren zu einer ‹Rentner-Demokratie’“ entwickele.

Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu

Die Kinder und Jugendlichen befürchten, dass ihre Belange angesichts eines Ungleichgewichts zwischen den Generationen untergehen. Sie verlangen deshalb ein Wahlrecht, das völlig ohne Altersgrenze auskommt. Um dieses von der früheren Familienministerin Renate Schmidt und dem ehemaligen Bundestags-Vizepräsidenten Wolfgang Thierse unterstützte Vorhaben umzusetzen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man wendet das Familienwahlrecht oder das Kinderwahlrecht an. Bei Ersterem gilt das Wahlrecht ab der Geburt, wird jedoch bis zu einem bestimmten, vom Gesetz festgelegten Alter von den Eltern ausgeübt. Beim Kinderwahlrecht gibt es keine Altersgrenze. Einzige Bedingung ist, dass das Kind sich aus eigenem Antrieb in das Wählerverzeichnis einträgt. Egal welche Variante man umsetzt, eines ist sicher: Man schwächt die Demokratie und setzt die politische Ausrichtung eines Landes leichtfertig aufs Spiel.

Mit diesen Reformen privilegiert man eindeutig eine bestimmte Lebensausrichtung. Beim Familienwahlrecht erhält beispielsweise ein Elternpaar mit drei Kindern drei Wahlstimmen mehr als ein kinderloses Paar. Infolgedessen werden kinderlose Menschen benachteiligt und nur Eltern blind gestärkt, denn wer kann schon kontrollieren, ob die Wahlstimmen der Kinder wirklich in ihrem Interesse und ihrem Wunsch entsprechend abgegeben werden? Letztlich wird das höchstpersönliche Wahlrecht, welches die Gleichheit aller Bürger garantieren soll, untergraben.

Begrenzte Schuldfähigkeit

Man muss sich in dieser Diskussion auch die Frage stellen, ob sich die Politik einer Regierung in den Augen der Kinder und Jugendlichen ausschließlich auf die Jugend- und Familienpolitik beschränkt. Aus der Sicht der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht muss die Altersgrenze für das Wahlrecht abgeschafft werden, damit Kinder und Jugendliche „für ihre Belange“ eintreten können. Von der Außen- oder Sicherheitspolitik eines Staates wird zu keinem Zeitpunkt gesprochen. Die Kompetenz der Kinder und Jugendlichen scheint sich ausschließlich auf ihre direkten Interessen zu beschränken.
Eine enttarnende Sichtweise.

Zudem ist es anmaßend, anzunehmen, dass kinderlose Wähler beziehungsweise Politiker sich automatisch nicht für die Belange von Kindern und Jugendlichen interessieren. So wurde beispielsweise das Jugendarbeitsschutzgesetz erst im April 2013 überarbeitet, um bessere rechtliche Voraussetzungen zu garantieren, um Jugendliche vor Überbeanspruchung und deren Folgen am Arbeitsplatz zu schützen. Und dies alles ohne Familien- oder Kinderwahlrecht.

Des Weiteren gibt es einen guten Grund, warum die Schuldfähigkeit von Kindern und Jugendlichen bis zu einem gewissen Alter begrenzt ist. Sie können die Konsequenzen ihrer Handlungen oft noch nicht einschätzen. Mit dem Kinderwahlrecht ist es beispielsweise möglich, über die politische Ausrichtung eines Staates mitzuentscheiden und gleichzeitig bei Straftaten in den Genuss von mildernden Umständen des Jugendstrafrechts zu kommen. Ein vollkommen absurdes Verhältnis.

Natürlich kann man nicht leugnen, dass es auch volljährige Wähler gibt, die sich leicht beeinflussen lassen und/oder das politische System, in dem sie leben, nicht verstehen. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass diese Fälle minimiert werden müssen. Mit einer Senkung des Mindestwahlalters wird solchen Personen jedoch massenhaft Tor und Tür geöffnet. Aus einer Studie der Universität Hohenheim geht hervor, dass es um die politische Bildung bei Jugendlichen nicht gut bestellt ist. Die Mehrheit der Befragten kann mit einfachsten Fachbegriffen wie „Opposition“ nichts anfangen.

Parteizugehörigkeit sowie die Ressorts der verschiedenen Bundesminister waren auch nur den wenigsten bekannt.

Die Jugendlichen benötigen demnach vor allem einen Ausbau des Politikunterrichts an Schulen. Denn in der Wahlkabine braucht die Gesellschaft keine quengelnden Kinder oder pubertierenden Teenager, sondern erwachsene, mündige Bürger.

(Damien Valvasori)