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Erst schießen, dann fragen

Erst schießen, dann fragen
(AFP)

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Die Erschießung von Michael Brown durch einen Polizisten in Ferguson, Missouri, ist bei weitem nicht der erste vergleichbare Fall, und er wird es leider auch nicht bleiben.

Ferguson sagt einiges aus über das Maß an Brutalität, welches die US-Gesellschaft prägt und welches sich u.a. in schreiender sozialer Ungerechtigkeit, aber eben auch in dem grassierenden Feuerwaffen-Fetischismus äußert. Dass US-Polizisten so oft und gerne schießen, hat nicht nur damit zu tun, dass es unter ihnen noch immer viel zu viele Rassisten gibt.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Ein amerikanischer Cop muss davon ausgehen, dass der Mensch, den er kontrollieren oder festnehmen will, über eine Schusswaffe verfügt, die er auch bereit ist, einzusetzen. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass Ordnungshüter nach dem Prinzip „erst schießen und dann fragen“ erst mal versuchen, ihre eigene Haut zu retten. Dabei ist es aber nun mal unvermeidlich, dass mit deprimierender Regelmäßigkeit Unschuldige zu Schaden kommen.

Wenn die Polizei zum Militär wird

Die Brutalität der US-Gesellschaft äußert sich aber auch in der weitgehenden Militarisierung vieler amerikanischer Polizeikorps: In welchem anderen Rechtsstaat ist es möglich, dass die Polizei zur Unterdrückung von Straßenprotesten mit größter Selbstverständlichkeit systematisch Sturmgewehre auf die Protestler richtet?

In dem linken Politmagazin The Nation hat ein ehemaliger US-Marine aufgezeigt, dass etliche Waffen, welche die Cops gegen die Aufrührer von Ferguson einsetzen, auch bei den Marineinfanteristen zum Einsatz kommen.

Wobei in den vergangenen Jahren ungezählte US-Städte das Angebot der Bundesregierung annahmen, ihre Polizei kostenlos aus Beständen der Streitkräfte aufrüsten zu lassen. US-Bürgerrechtler beklagen sich darüber, dass gerade in Vierteln mit schwarzer Mehrheit auch vom Anlass her banale Hausdurchsuchungen immer öfter durchgeführt werden, indem SWAT-Teams (also Sondereinsatz-Einheiten, die speziell für den Kampf gegen Gewalttäter und Terroristen ausgebildet sind) das zu durchsuchende Haus regelrecht stürmen.

Auch bei dieser brutalen Methode kommt es regelmäßig zu blutigen „Bavures“. Unlängst warfen die SWAT-Rambos im Bundesstaat Georgia eine Schockgranate („stun grenade“) in die Wiege eines schlafenden Babys. Das Kind überlebte schwerst verletzt. Den übrigen Hausbewohnern konnte am Ende der Aktion keinerlei Gesetzesverletzung nachgewiesen werden.

Erst schießen, dann fragen, that’s how the West was won. Aber es ist sicher keine Art und Weise, auf die ein zivilisierter Staat seine Bürger behandeln darf.

Derlei willkürliche Brutalität, meist gegen die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft (von denen gewiss einige, aber eben nur eine Minorität, selber gewalttätig sind), vergiftet die Beziehungen zwischen der schwarzen Gemeinschaft und dem Staat auf irreparable Weise.

(Francis Wagner/Tageblatt.lu)