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Tödliche Ablenkung

Tödliche Ablenkung
(Tageblatt)

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Es soll Leute geben, die seit dem Germanwings-Crash mit einem mulmigen Gefühl ins Flugzeug steigen: „Was wäre, wenn auch in diesem Cockpit jetzt ...“ Dabei wird die Wahrscheinlichkeit, solch einem Freak-Ereignis zum Opfer zu fallen, wohl auch in Zukunft verschwindend gering bleiben.

Die wahre tödliche Gefahr im Transportsektor droht indes von ganz woanders her: Rund vierhundert Menschen – also gut zweieinhalb Mal so viele, wie im Germanwings-Airbus saßen – kommen alljährlich allein im französischen Straßenverkehr ums Leben, weil gewissenlose Automobilisten über dem Fahren lieber telefonieren, simsen, mailen, chatten oder sogar auf ihrem Laptop arbeiten, anstatt sich auf die Beherrschung ihres Fahrzeugs zu konzentrieren.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Säufer, Raser, Telefonierer

Immer öfter sieht man Autos, welche sich in den aus Polizeiberichten bekannten „Schlangenlinien“ bewegen, und zwar nicht (in erster Linie zumindest), weil der Fahrer besoffen oder bekifft wäre, sondern weil er Nachrichten zu verfassen und zu senden hat, deren Dringlichkeit alle anderen nebensächlichen Erwägungen – wie etwa den Anspruch anderer Verkehrsteilnehmer auf körperliche Unversehrtheit – vollumfänglich in den Schatten stellt: „Mausi mach Pizza warm. Bin bald da.“ Da muss man doch zur Not einen Unfall in Kauf nehmen können, oder sollte der Mann etwa Hunger leiden müssen?

Jeder kennt das Panikgefühl, das einen packt, wenn man beim Überholen eines Lkws merkt, dass der Mastodont plötzlich nach links zu driften beginnt, und der Platz, der fürs eigene Auto zwischen den 40 Tonnen und der Leitplanke bleibt, immer enger wird: Nicht selten hängt es schlicht daran, dass der Fahrer gerade dabei ist, sich einen Film reinzuziehen oder die Mikrowelle zu bedienen.

Früher wurden Buspassagiere per Schild dazu aufgefordert, nicht mit dem Fahrer zu sprechen, weil „vous êtes responsable de sa distraction“. Heute sieht man immer wieder Buschauffeure, die mit Knöpfen im Ohr auf dem Bock sitzen und telefonieren oder Musik hören, anstatt, wie es für einen richtigen Profi selbstverständlich wäre, ihren Job und sonst nichts als ihren Job zu machen. Wer das hierfür erforderliche Verantwortungsbewusstsein nicht aufzubringen in der Lage ist, sollte vom Lenkrad ferngehalten werden.

Zum Suff und zur Raserei, denen beiden unvermindert gefrönt wird, hat sich also eine dritte, tödliche Gefahr im Straßenverkehr hinzugesellt. Und diese muss ebenso konsequent bekämpft werden.

Es ist daher zu begrüßen, dass immer mehr europäische Länder, demnächst auch Luxemburg, verschärft gegen die totale Rücksichtslosigkeit vorgehen, welche die Benutzer elektronischer Gadgets am Steuer gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern an den Tag legen.