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Verwilderung

Verwilderung
(Tageblatt)

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Ein Jahr nach der Erschießung des unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown durch Polizisten in der amerikanischen Stadt Ferguson sind die USA dem inneren Frieden, dem Frieden zwischen den ethnischen Gemeinschaften, nicht näher gekommen. Wie hätten sie es auch sollen?

Die Hauptursache für die sozialen Konflikte ist nun mal die soziale Ungerechtigkeit, die sich u.a. im Rassismus artikuliert, und an der hat sich im Laufe der letzten zwölf Monate aber nun wirklich nichts Grundsätzliches geändert.
Wo ein Teil der Gesellschaft den (durchaus berechtigten) Eindruck hat, dass für sie bestenfalls ein paar Krumen vom Tisch des allgemeinen Wohlstandes abfallen, da ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Frust auf gewaltsame Weise Luft verschafft.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Typisch für die amerikanische Weise, sozialen Konflikten zu begegnen, ist natürlich, dass man nicht konsequent versucht, die Ungleichheit an der Wurzel zu packen, sondern dass man vielmehr hochgerüstete Cops mit Sturmgewehren und Panzern in die Wohnviertel der „Unterprivilegierten“ schickt, um ihnen das Maul zu stopfen.
Eine Politik, die darauf setzt, die „Racaille“ in Ghettos zu sperren, um das Problem nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ loszuwerden, muss man als kriminell bezeichnen, da sie Hass, gegenseitiges Unverständnis und soziales Elend perpetuiert. Gesellschaftlicher Frieden ist ohne soziale Gerechtigkeit nicht zu haben. Das gilt in Bezug auf amerikanische Schwarze ebenso wie auf europäische Roma.

Auch weil der neoliberale Marktfundamentalismus in der Praxis immer mehr Ungleichheit produziert, verwildern in unseren Gesellschaften zusehends die Sitten. Wo der skrupellose Barbar mit den stärksten Ellbogen als Held und Vorbild dargestellt wird, da geht die Menschlichkeit den Bach runter.

Und wer den aktuellen Vorwahlkampf der Republikaner mitverfolgt, der ist versucht, alle Hoffnung fahren zu lassen. Man muss sich das nur einmal vorstellen: Nach den kommenden US-Präsidentschaftswahlen könnte ein total asozialer Psychopath wie Donald Trump die Entscheidungsgewalt über das größte Atomwaffenarsenal der Erde innehaben.

Sicher, es ist weitaus wahrscheinlicher, dass seine Kandidatur einem weiteren Demokraten den Weg in das Weiße Haus ebnen würde, doch wenn man bedenkt, wie populär die ebenso primitiven wie brutalen Ideen dieses Mannes in weiten Kreisen der US-Wählerschaft trotzdem sind, dann kann einem durchaus angst und bange werden.

Zumal dem Marktfundamentalisten Ted Cruz, einer der Alternativen zu Trump, nichts Gescheiteres einfällt, als im Wahlkampf Speck auf dem heißgeschossenen Lauf seines Sturmgewehrs zu braten. Ein US-Journalist witzelte daraufhin zwar, „kein Schwein wird ihn wählen“. Doch Divisionen von Brunzköpfen würden gerade wegen dieses Stunts vermutlich nichts lieber tun als das.