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Richtungsstreit

Richtungsstreit
(Alain Rischard/editpress)

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Die Linke in Europa befindet sich im Umbruch. In zahlreichen Länder, darunter auch Luxemburg, gibt es einen Richtungsstreit. Die LSAP steht vor der Zerreißprobe.

Vor einer Woche zur Prime Time auf France 2: „Werden Sie gegen Tsipras antreten?“ So die Frage, die den Moderator am stärksten umtreibt. Zu Gast hat er Yanis Varoufakis, international renommierter Wirtschaftswissenschaftler und gewesener Finanzminister Griechenlands. Dass sich in Athen mehr als bloß ein Drama mit zwei Hauptpersonen abspielt, wen schert das schon?

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Richtig ist jedoch auch: Varoufakis ist heute quasi die Galionsfigur der europäischen Linken, nachdem Alexis Tsipras vor dem Diktat der Gläubiger einknickte und dabei Anhänger nicht nur in Griechenland enttäuschte. Der Hoffnungsträger von gestern wurde über Nacht zum Träger einer alten, nicht funktionierenden, sozial desaströsen Politik. Anders Varoufakis, der Tsipras die Gefolgschaft kündigte. Der Wissenschaftler, den es vor dem Politikerberuf graust, ist ein umworbener Gast, so vor einer Woche bei der Sozialisten-Feier „Fête de la rose“ in Frangy-sur-Bresse im Département Saône-et-Loire. Eingeladen hatte sein französisches Pendant Arnaud Montebourg.

Beide gewesene Minister sind Vertreter einer neuen Linken. Sie wollen mehr sein als bloß eine neue politische Bewegung, und schon gar keine Sozialdemokratie bis. Das sozialdemokratische Modell ist passé, meint Montebourg: „Je crois que les partis sociaux-démocrates alignés sur la droite allemande seront balayés – y compris les partis socialistes. Il va se créer autre chose“, sagte er dem Brüsseler Le Soir (24. August 2015).

Die Linke in Europa befindet sich im Umbruch. Die Neuen sind Syriza und deren mögliche Abspaltung in Griechenland, Podemos in Spanien, die Linke in Deutschland, „déi Lénk“ in Luxemburg. In Frankreich versucht es Ex-Sozialist Jean-Luc Mélenchon mit seinem „Parti de gauche“. Sie setzen die großen linken Parteien massiv unter Druck. Diese Befürchtungen brachte der LSAP-Politiker Franz Fayot in einem Gastbeitrag im Tageblatt am 22. August zum Ausdruck. „Sozialdemokraten europaweit sind gefordert, eine Linkspolitik mit Kante und Überzeugung zu definieren, die den Menschen, insbesondere den sozial Schwächeren, eine alternative Vision für die Zukunft gibt“, schrieb er warnend.

Aus Fayot spricht mehr als bloß Besorgnis über die neue Konkurrenz. Es ist die Furcht vor dem Abdriften in die Bedeutungslosigkeit, dasselbe Schicksal, das den Schwesterparteien in Deutschland und Frankreich blühen könnte. Tatsächlich: Man nenne auch nur einen triftigen Grund, noch sozialdemokratisch zu wählen, wenn nicht aus Gewohnheit oder aus Sympathie mit einigen herausragenden Köpfen der Sozialdemokratie! Allein das Thema Trennung von Kirche und Staat, gesellschaftspolitische Reformen wie Homoehe oder Sterbehilfe reichen nicht. Die sind auch mit einer DP zu bekommen. Und den Index, ja, den verteidigt man, weil er ohnehin vorerst nicht zum Zuge kommt.

Die rezenten Meinungsdifferenzen in der LSAP, die in einem von hundert Mitgliedern unterschriebenen Brief an die Parteileitung gipfelten, sind vor diesem Hintergrund zu sehen. In der LSAP tobt ein Richtungsstreit: Weiter auf wirtschaftsliberalem Kurs segeln oder Rückbesinnung auf „sozialistische Werte“, wobei diese genauer zu umreißen wären. Ob die LSAP diesen Konflikt unbeschadet übersteht? Nicht umsonst erinnerte der langjährige Parteisoldat und Gewerkschafter Josy Konz im Tageblatt (17.8.2015) an die Spaltung der LSAP Ende der 1960er-Jahre. Auch damals hatte man zuvor über die Ausrichtung der Partei gestritten.