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«No hate»

«No hate»
(Tageblatt)

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Eine Stimme aus dem Saal: „Wenn wir nun über 100 Flüchtlinge in unsere Gemeinde bekommen, dann wird hier wohl auch die Kriminalitätsrate steigen!“

Antwort des Bürgermeisters: „Wir werden bei den verantwortlichen Stellen vorsprechen, damit der Personalbestand im hiesigen Polizeikommissariat erhöht wird!“

Logo" class="infobox_img" />Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Diese beiden vor wenigen Tagen während einer Informationsversammlung zum Thema Flüchtlingsaufnahme gemachten Aussagen sprechen doch wohl Bände, oder? Einerseits werden Flüchtlinge, von denen viele die Hölle erlebt haben und erst vor Kurzem dem Tod von der Schippe gesprungen sind, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken mit Kriminellen über einen Kamm geschert, andererseits werden diese Unterstellungen vom ersten Bürger der Gemeinde noch unterstrichen.

Wir brauchen also kein Facebook oder Ähnliches, um solchen Schwachsinn unters Volk zu bringen, in der Zwischenzeit haben wir uns anscheinend daran gewöhnt, dass man solch dummes Geschwätz auch in aller Öffentlichkeit vom Stapel lassen kann, ohne Decknamen. Es muckt (fast) keiner mehr auf, man nimmt es einfach so hin: „Das ist eben heute so.“
Ebenso gleichgültig reagieren viele gegenüber hasserfüllten Kommentaren in den sozialen Netzwerken. Da werden wahre Hassreden gepostet, die dann auch noch mit erhobenen Daumen für gut befunden werden. Nur ein Beispiel auf Facebook: „Diese dreckigen Syrer sind sowieso alle Feiglinge, die ihre Frauen und Kinder im eigenen Land zurücklassen.“ Fällt das etwa noch unter Meinungsfreiheit – wie Facebook behauptet –, oder ist es nicht doch schon pure Xenophobie – wie ich meine?

In den Kommentarspalten der Internetmedien und in den sozialen Netzwerken wird die Wut auf alles und jeden ungebremst und unbedacht in Worte gefasst. Die Meinungsäußerungsfreiheit schützt diese Art von Äußerungen. Problematisch wird es allerdings, wenn die Äußerungen zur Diskriminierung, Feindseligkeit und Gewalt gegen Personen und Gruppen aufgrund ihrer Rasse, Religion, Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, einer Behinderung oder Krankheit usw. aufrufen. Die internationalen Menschenrechtsorgane beschäftigen sich seit einiger Zeit mit solchen Hasstiraden und sie versuchen, die äußerst heikle Abgrenzung zwischen der zu schützenden und zu verteidigenden Meinungsäußerungsfreiheit und der zu bekämpfenden diskriminierenden und die Würde des Menschen verletzenden Hassrede zu fassen.

Wir müssen uns bewusst werden, welche Risiken Hassbotschaften für das Zusammenleben und für jeden einzelnen, jungen oder weniger jungen, Menschen bergen. Wir sollten – so lange es noch möglich ist – alles daransetzen, die Akzeptanz von (Online-) Hassreden zu verringern. Gleichzeitig sollten wir junge Leute darin unterstützen, sich für die Menschenrechte und gegen Diskriminierung einzusetzen, online und offline.

Denken wir daran: Unsere Menschenrechtsarchitektur, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa errichtet wurde, ist überaus kostbar! Aber in diesen Tagen auch sehr fragil!