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Europäische Union ist beim Bürger beliebter als nationale Regierungen

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Einer jüngst veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage zufolge haben die EU-Bürger im Durchschnitt mehr Vertrauen in die Europäische Union als in ihre nationalen Regierungen oder Parlamente. Immer mehr Menschen sind zudem der Meinung, dass ihre Stimme in der Union zählt.

Betrachtet man die Zahlen der letzten Eurobarometer-Umfrage, dann haben die Bürger wenig Vertrauen in ihre politischen Institutionen: Gerade einmal 35 Prozent der Befragten haben sowohl Vertrauen in ihre Regierung als auch in ihr Parlament. Demgegenüber schneidet die EU besser ab. 42 Prozent der Befragten gaben an, der Union zu Vertrauen, 48 Prozent misstrauen ihr.

Das war in den Nullerjahren auch schon besser, als 2007 mit 57 Prozent der Höchstwert in dieser Frage erreicht wurde. Doch seit den Krisenjahren sackten die Vertrauenswerte der Bürger in die Politik deutlich ab, sind aber dabei, sich zu erholen.
Vertrauen

52 Prozent der Luxemburger vertrauen der EU

In den meisten EU-Staaten ist das Vertrauen in die EU allerdings größer als das Misstrauen (20:8). In genau der Hälfte der Mitgliedstaaten haben 50 Prozent und mehr der Befragten Vertrauen in die EU, wobei Litauen (65 Prozent), Dänemark (60), Schweden (59) und die Niederlande (57) die oberen Ränge belegen.

Am wenigsten vertrauensvoll finden die Griechen (26), Briten (31), Tschechen (32) und Franzosen (33) die EU. In Luxemburg vertrauen immerhin 52 Prozent der Befragten der EU, 33 Prozent zeigen sich misstrauisch.

Eine ähnliche Entwicklung wie beim Vertrauen hat das Bild der EU bei den Bürgern in den vergangenen gut zehn Jahren durchlaufen. Auch hier fiel die positive Bewertung während der Jahre der Finanz- und Wirtschaftskrise, verbesserte sich wieder bis 2015, verzeichnete dann wohl wegen der sogenannten Flüchtlingskrise wieder einen Negativtrend und ist derzeit wieder im steigen. Was dazu führt, dass EU-weit die Bürger im Durchschnitt zu 43 Prozent ein positives Bild, 36 Prozent ein neutrales und nur 20 Prozent ein negatives Bild von der EU haben.

Die höchsten Werte für ein positives Image sind in Irland (64 Prozent), Bulgarien und Luxemburg (jeweils 56) und Polen (54) zu finden, die niedrigsten in Griechenland (23), Tschechien (28), der Slowakei (33) und Frankreich (34).

Ein offenes Ohr

Im Verlauf der letzten Jahre scheint sich bei den EU-Bürgern auch die Ansicht zu wandeln, dass ihre Stimme in der EU nicht gehört werde. Im Durchschnitt geben EU-weit mit 49 Prozent erstmals seit 2004 mehr Befragte an, dass ihre Stimme gehört wird als jene, die das Gegenteil behaupten, nämlich 47 Prozent.

In der Hälfte der EU-Staaten erklären mindestens 50 Prozent der Bürger, dass ihre Stimme gehört wird, in zwei weiteren ist eine Mehrheit dieser Ansicht, in den anderen zwölf Mitgliedstaaten überwiegt die gegenteilige Meinung.

Am meisten fühlen sich die Dänen (73 Prozent), Schweden (71), Deutschen (70) und Belgier (63) gehört, am wenigsten die Griechen (19), Esten (22), Tschechen (23) und Zyprer (24). In Luxemburg gaben 57 Prozent an, Gehör in der EU zu finden.

Wichtigste Probleme

In einer weiteren Frage wurden die Teilnehmer der Erhebung gebeten, die beiden wichtigsten Probleme zu nennen, mit denen die EU derzeit konfrontiert sei. Hier wurden am meisten die Immigration (40 Prozent), der Terrorismus (20), der Zustand der öffentlichen Finanzen in den EU-Staaten (19), die wirtschaftliche Lage (18), der Klimawandel (16) sowie die Arbeitslosigkeit (13) genannt.

Auf die Frage hingegen, welche die wichtigsten nationalen Probleme seien, wurden die Arbeitslosigkeit (23 Prozent, mit allerdings seit 2013 von 51 Prozent fallender Tendenz), steigende Preise und Lebenskosten (21), die Immigration (21), die Gesundheits- und soziale Sicherheit (20) sowie die wirtschaftliche Situation und die Renten (jeweils 15) genannt.

In Luxemburg gaben übrigens 56 Prozent den Wohnungsmarkt als wichtigstes Problem an, gefolgt von steigenden Preisen und Lebenskosten (29) und mit jeweils 18 Prozent Umwelt- und Klimafragen sowie das Bildungssystem.

Die wirtschaftliche Situation in der EU und den Mitgliedstaaten wird mehrheitlich von den Befragten als gut beurteilt: Jeweils 49 Prozent gaben an, dass es der Wirtschaft sowohl in der Union als auch in ihrem Land gut gehe. Allerdings meinten nur 38 Prozent, der Wirtschaft in der EU gehe es schlecht, während dieser Wert auf das eigene Land bezogen auf 48 Prozent steigt. Am besten wird die heimische wirtschaftliche Lage in Malta (95 Prozent), Luxemburg und den Niederlanden (jeweils 91) sowie in Dänemark und Deutschland (jeweils 88) bewertet, am schlechtesten in Griechenland (6), Kroatien (16), Spanien und Bulgarien (jeweils 18) sowie Italien (20).


Luxemburger bekennen sich zur europäischen Identität

Europäische Nachrichten sind oftmals schlechte Nachrichten: Brexit, Euro-Krise, Flüchtlingskrise. Geht es nach der Nachrichtenlage, ist die Europäische Union in einer Dauerkrise. Wie wirkt sich das eigentlich auf das europäische Gemeinschaftsgefühl aus? „Schlecht“, sagen Historiker, Politologen und Soziologen. Ob Heinrich August Winkler, Ulrike Guérot, Ivan Krastev oder Jürgen Habermas – alle teilen sie die gleiche Analyse: Es fehlt ein gemeinsames Wir-Gefühl.

Anders als etwa der Nationalstaat steht die Europäische Union ständig unter Rechtfertigungszwang. Der Nationalstaat gilt für viele als das wahre Kollektiv, Europa als die Konstruktion. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse des neuesten Eurobarometers interessant. Denn sie widerlegen zum Teil die These des schwachen Europagefühls.

Mehr als zwei Drittel der Befragten der (noch) 28 EU-Staaten fühlen sich laut Umfrage als Europäer. Und das Land mit der stärksten europäischen Identität ist Luxemburg. 89 Prozent der befragten Bürger im Großherzogtum geben an, dass sie sich als Europäer fühlen. Dicht gefolgt von Deutschland: 86 Prozent der Bürger, die in Deutschland leben, betrachten sich als Europäer.

In der Studie lässt sich auf den ersten Blick kein klares Muster erkennen, warum sich manche Bürger mehr als Europäer fühlen als andere. Weder lässt sich ein geografischer (Nord-Süd/Ost-West) noch ein sozioökonomischer Zusammenhang feststellen. So befinden sich unter den Ländern, die sich besonders europäisch fühlen, neben Luxemburg und Deutschland auch Spanien, Schweden, Malta, Polen und Ungarn.

In Frankreich, Italien, Tschechien, Griechenland und Bulgarien ist das Europagefühl hingegen weit weniger verbreitet – sie befinden sich am Ende der Skala. Dennoch sieht sich in jedem EU-Land mehr als die Hälfte der Bürger als Europäer. Ja, sogar in Großbritannien, das bald die Europäische Union verlassen wird, liegt das Europagefühl bei 58 Prozent. 40 Prozent der Briten betrachten sich hingegen nicht als Europäer. Zwei Prozent machen keine Angaben.

Laut Eurobarometer sind die aktuellen Zahlen, die im November 2018 erhoben wurden, die höchsten Werte seit 2010. Das Wir-Gefühl verbreitet sich also in Europa – und das trotz Brexit, Euro-Krise, Flüchtlingskrise.

Von Pol Schock und Guy Kemp

franz
27. Dezember 2018 - 11.34

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