Kurz vor dem Beginn des Bosbergs, etwa 13 Kilometer vor dem Ziel, wurde es ungewohnt langsam. In der Spitzengruppe, in der sich auch Alex Kirsch befand, schien man sich zu beobachten. „Normalerweise gibt es kurz vor dem Bosberg einen Moment des Stillstands, wo alle zögern. Diesen Moment habe ich genutzt und bin dann nach vorne gefahren“, sagte Wout van Aert.
Die finalen Kilometer sind schnell erklärt: Der Belgier hatte bei seinem ersten Saisonrennen die besten Beine, enteilte der Konkurrenz und fuhr einen souveränen Solosieg ein. „Wer nicht auf den Sprint wartet, sondern schon am Bosberg davonzieht, der ist der stärkste Mann im Rennen“, sagte sein Teamkollege Tiesj Benoot.
Benoot, der vom Team DSM zu Jumbo-Visma wechselte, erwies sich ebenfalls bei seinem ersten Saisonrennen gleich als gelungener Transfer. Erst zog der Belgier das Tempo am Berendries-Anstieg (31 km) deutlich an und beförderte seinen Kapitän, aber auch das Ineos-Duo um Thomas Pidcock und Jonathan Narvaez sowie Sonny Colbrelli (Bahrain-Victorious) nach vorne, dann attackierte er 20 Kilometer vor dem Ziel. Mit dieser Attacke konnte sich Van Aert eine Pause gönnen, die Konkurrenten mussten dagegen Tempo machen, um Benoot zu stellen.
Im Anstieg zur Mauer von Geraardsbergen ließen somit einige Favoriten viele Körner: Das AG2R-Citroën-Duo um Greg van Avermaet und Oliver Naesen investierte, genau wie Matteo Trentin (UAE) oder Stefan Küng (Groupama-FDJ), viel Energie, um Benoot wieder zu stellen. Kurz nachdem der Belgier gestellt war, attackierte also Van Aert – eine taktische Meisterleistung von Jumbo-Visma.
Kampf der großen Teams hat begonnen
Van Aert, der auf den letzten Kilometern seine starken Qualitäten als Zeitfahrer unter Beweis stellte, fuhr mit 22 Sekunden Vorsprung auf die Verfolgergruppe über den Zielstrich. Den Sprint um Platz zwei gewann der Italiener Colbrelli, dritter wurde Van Avermaet. Alex Kirsch fuhr mit 25 Sekunden Rückstand auf dem 15. Platz ins Ziel.
Auffällig ist beim Betrachten der Top Ten, dass gleich mehrere Fahrer am Samstag ihren ersten Saisoneinsatz hatten. Nicht nur Van Aert und Colbrelli starteten in Gent ihr erstes Saisonrennen, sondern auch der Tagesfünfte Victor Campenaerts (Lotto Soudal) und der Zehnte Jasper Stuyven (Trek-Segafredo).
Überraschend war am Samstag vor allem, dass das starke Kollektiv von Quick-Step Alpha Vinyl hinterherfuhr. Die Mannschaft von Patrick Lefevere ließ sich von der Attacke am Berendries derart überraschen, dass kein Fahrer mehr in der Spitzengruppe platziert war. Zwar schaffte „The Wolfpack“ es nochmal, die Lücke zu schließen, doch auch sie sollten am Ende keine Kraft mehr haben. Mit Florian Sénéchal schaffte es immerhin ein Fahrer als Neunter noch gerade so in die Top Ten. „Eigentlich bestimmen wir immer die Rennen, heute sind wir aber nur hinterhergefahren“, sagte der Tscheche Zdenek Stybar. Unglücklich war aber vor allem auch, dass Kasper Asgreen im entscheidenden Moment einen Defekt zu beklagen hatte.
Der Kampf der Giganten zwischen Jumbo-Visma und Quick-Step Alpha Vinyl ist gleich beim ersten Klassiker der Saison entfacht. „Ein starkes Team?“, fragte Yves Lampaert (Quick-Step Alpha Vinyl). „Ich habe nur einen starken Van Aert gesehen.“ Auf Seiten der niederländischen Mannschaft sagte Nathan van Hooydonck: „Wir sind ein klasse Rennen gefahren. Wir haben kaum Fehler gemacht und uns an die Vorgaben gehalten. Wir kümmern uns nicht um andere Mannschaften, sondern nur um uns selbst.“
Ergebnis
77. Omloop Het Nieuwsblad, Eintagesrennen in Belgien von Gent nach Ninove (204,2 km/1.UWT):
1. Wout van Aert (Belgien/Jumbo-Visma) 4:50:46 Stunden, 2. Sonny Colbrelli (Italien/Bahrain Victorious) 0:22 Minuten zurück, 3. Greg van Avermaet, 4. Oliver Naesen (beide Belgien/AG2R Citroën Team), 5. Victor Campenaerts (Belgien/Lotto Soudal), 6. Rasmus Tiller (Norwegen/Uno-X Pro Cycling Team), 7. Matteo Trentin (Italien/UAE), 8. Andrea Pasqualon (Italien/Intermarché), 9. Florian Sénéchal (Frankreich/Quick-Step), 10. Jasper Stuyven (Belgien/Trek-Segafredo), alle gleiche Zeit … 15. Alex Kirsch (Luxemburg/Trek-Segafredo) 0:25
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