Epernay-Metz war eine dieser Etappen, bei der man die Tour nicht gewinnen, aber durchaus verlieren kann. Diese Erfahrung mussten gestern Frank Schleck, der letztjährige Dritte der Tour, und Ryder Hesjedal, der diesjährige Sieger des Giro, machen.
Frank Schleck ist nach dem Sturz sichtlich enttäuscht. (Bild: Tageblatt/Gerry Schmit)
Beim dritten schweren Massensturz des Tages gingen beide mit zwei Dutzend anderen Fahrern zu Boden und konnten die Fahrt erst wieder fortsetzen, als der gute Zug längst ab war. Im allgemeinen Durcheinander wusste keiner so recht, was eigentlich passiert war.
Massen-Sturz
Diejenigen, die an der Spitze des Pelotons fuhren, hatten keine Probleme, das Rennen fortzusetzen. Die andern, unter ihnen Schleck, lagen am Boden oder im Graben am Straßenrand. Ihre Rennmaschinen waren ineinander verkeilt, und es dauerte lange, bis die Helfer, unter ihnen sogar Streckendirektor Jean-François Pescheux, einigermaßen für Ordnung gesorgt hatten.
Die Ambulanz wurde herbeigerufen, um die am schwersten verletzten Davide Vigano (den Auslöser des Sturzes, siehe unten), Tom Danielson und Mikel Astarloza abzutransportieren. Andere Fahrer wie Tyler Farrar oder Johan Van Summeren quälten sich redlich ab, um aufs Rad zu steigen und das Rennen wieder aufzunehmen
2:09 Minuten zurück
Schleck hielt sich den Rücken und die Hüfte, er schien angeschlagen und enttäuscht über das, was ihm gerade passiert war. Als er endlich wieder in Fahrt kam, fuhr er zu seinem Mannschaftswagen, um den Sattel richten zu lassen. Später gesellten sich Edvald Boasson Hagen, Alejandro Valverde, Tony Martin und zwei Dutzend andere Konkurrenten zu ihm.
Der Rückstand auf die Tour-Favoriten Bradley Wiggins und Cadel Evans, die vorne Tempo machten, betrug zu diesem Zeitpunkt aber fast zwei Minuten. Am Ziel trennten beide Gruppen genau 209, so dass Frank Schleck in der Gesamtwertung vor der heutigen Etappe nach La Planche des Belles Filles schon 226 Rückstand auf Cadel Evans und 236 auf Bradley Wiggins hat. Die Tour 2012 kann er folglich nicht mehr gewinnen.
Schleck und Popovych
Dass Stürze manchmal nicht zu vermeiden sind, ist die eine Sache. Dass man gefährlichen Situationen aber vorbeugen kann, indem man an der Spitze des Feldes fährt, ist die andere. Wo hielt Frank Schleck sich auf, als die Fahrer vor ihm stürzten und er dadurch dem Haufen nicht mehr ausweichen konnte? Es gibt eine goldene Regel im Radsport, und die sagt, dass das Team des Leaders an der Spitze zu fahren hat, wenn’s ums Eingemachte geht.
Ein Blick auf das Klassement reicht, um zu merken, dass sieben von neun RadioShack-Nissan-Fahrern (Klöden 18., Monfort 23., Gallopin 33., Cancellara 37., Horner 44., Zubeldia 58., Voigt 61.) dem ersten Peloton angehörten, also nicht in den verhängnisvollen Sturz verwickelt waren. Neben Schleck (82. auf 209) verpasste nur Popovych (125. auf 602) den guten Zug. Beide lagen zum verhängnisvollen Zeitpunkt des Sturzes nicht auf den ersten 70 Rängen!
„Da war es zu spät“
„Als wir vorne merkten, dass Frank fehlte, war es zu spät“, sagte Fabian Cancellara beim Siegerinterview: „Zu diesem Zeitpunkt betrug sein Rückstand fast zwei Minuten. Weil Ersatzleader Andreas Klöden in unserer Mitte war, konnten wir nicht warten. Vor zwei Jahren hatten wir eine total andere Situation auf der dritten Etappe, als ich als Leader das Peloton überzeugen konnte, die andern abzuwarten. Stürze gehören zu unserm Beruf. Das ist Pech für Frank, doch sind unsere Chancen auf den Toursieg weiterhin intakt.“
Der Sturz 25 km vor Metz war der negative Höhepunkt eines „schwarzen Tages“. Am Ursprung des fatalen Vorkommnisses stand Davide Vigano, der im Begriff war, die „Überziehschuhe“ von Alessandro Petacchi in der Rückentasche zu verstauen. Dadurch hatte er nur eine Hand am Lenker und fuhr einem Konkurrenten ins Hinterrad, als dieser abbremste. Insgesamt meldete „Radio-Tour“ gestern vier „chutes“, darunter eine, als das Rennen noch nicht einmal begonnen hatte. Drei Fahrer wurden mehr oder weniger schwer verletzt, einige der Favoriten (unter ihnen ja auch Frank Schleck) haben ihre Chancen auf den Gesamtsieg bereits verspielt.
7. Etappe
Cancellara, der mit seinen 28 Tagen im Gelben Trikot auf Rang 12 der ewigen Bestenliste der Tour de France in dieser Kategorie figuriert, glaubt nicht, dass er heute auf der Fahrt von Tomblaine zu „den Mädchen da oben“, wie er auf der Vor-Tour-Pressekonferenz für den Zielort „La Planche des Belles Filles“ sagte, das „Maillot jaune“ mit Erfolg verteidigen kann.
Frank Schleck galt bis zu seinem gestrigen Sturz als Favorit auf den dortigen Etappensieg. Mal abwarten …
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