«Wir waren uns bewusst, dass wir mit dem Gesamtführenden in unseren Reihen die Führungsarbeit im Feld leisten müssen», so Alain Gallopin, der sich jedoch ein wenig Unterstützung gewünscht hätte. «Während des Rennens habe ich bei Liquigas nachgefragt, ob sie sich nicht an der Führungsarbeit beteiligen wollen. Sie sagten mir, dass Sagan schwere Beine habe und deshalb würden sie es nicht einsehen zu arbeiten. So läuft das Spiel, halt», weiß Gallopin. Mit dem ersten Wochenende ist der sportliche Leiter natürlich sehr zufrieden. Zwar sei Monfort in einen Sturz verwickelt gewesen und auch Tony Gallopin hätte technische Probleme gehabt, aber es sei ein Auftakt nach Maß gewesen.
Fabian Cancellara war nach dem ersten Wochenende mehr als zufrieden. Nach dem Prolog sprach der Schweizer von einem außergewöhnlichen Sieg, der noch spezieller war als jener, den er 2004 beim Prolog in Liège erzielt hatte. «Ich bin stolz und auch zuversichtlich», so ein glücklicher Gewinner. Der Schweizer wollte auch nicht mehr großartig auf seinen Sieg vor acht Jahren zurückblicken. «Ich schaue nicht zurück, wir müssen uns auf die Gegenwart fokussieren.»
Das tat er dann auch im Finale der ersten Etappe, als er auch diese für sich entscheiden wollte. «Ich gebe in solchen Situationen immer 100 Prozent, auch wenn ich den Sprint von vorne fahren muss und schlussendlich Zweiter werde.» Cancellara hofft darauf, dass sein Team auf der heutigen Etappe nicht mehr die ganze Arbeit verrichten muss. «Morgen (am Montag, d. Red.) ist eine klassische Sprintetappe, da werden einige Teams vorne mitfahren.»
Frank weiter vorne als Wiggins?
Frank Schleck liegt nach der ersten Etappe auf dem 45. Platz. Dass er beim Prolog Zeit verlieren würde, war ihm klar. «Es war ein Prolog für Spezialisten und zu denen zähle ich nunmal nicht. Wir haben damit gerechnet, dass ich 25 bis 30 Sekunden auf die Favoriten der Tour de France verlieren werde.» Die erste Etappe verlief auf einmal sehr hektisch, was der Luxemburger nicht mag. «Es wurde sehr schnell gefahren bevor es den Schlussanstieg hinauf ging. Bei dieser Geschwindigkeit und den Stürzen fühlte ich mich nicht ganz sicher.» Trotzdem schaffte es Schleck, sich vor dem Anstieg gut zu positionieren: «Chris Horner hat mich gut nach vorne gebracht, so dass ich eine gute Ausgangsposition vor dem Anstieg hatte.» Der Anstieg sei zwar nicht sehr schwierig gewesen, aber dennoch habe er sich sofort wohlgefühlt, was ihm für die kommenden Etappen Selbstvertrauen gab.
Der Amerikaner Chris Horner hat sich auf der ersten Etappe bereits in den Dienst von Frank Schleck gestellt, obwohl er selbst, neben dem Luxemburger und Andreas Klöden, als einer der RNT-Leader gilt. Horner schätzt Franks Chancen jedoch besser ein als seine eigenen. «Im Vergleich zu mir ist Frank der bessere Klassementfahrer.» Er schätzt den 32-jährigen Luxemburger sogar stärker ein als andere es tun: «Cadel Evans ist als amtierender Tour-Sieger natürlich der Favorit. Aus dem aktuellen Fahrerfeld hat es außer ihm nur Frank aufs Podium geschafft. Er ist ein unglaublicher Fahrer und ich würde ihn eher in Paris ganz oben sehen als Wiggins.»
Horner ist bereits lange im Geschäft und sieht den «Hype» um den Briten deshalb etwas kritischer: «Er fährt zwar eine unglaubliche Saison, doch Fakt ist, dass er bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nie auf dem Podium in Paris stand. Ich bin bereits lange dabei und kann mich an Iban Mayo erinnern, der 2004 als Sieger der Dauphiné zur Tour kam und dann die Tour de France nicht einmal zu Ende fuhr.» Mal sehen, ob der Amerikaner Recht behält. Beim Prolog zeigte Wiggins auf jeden Fall noch keine Schwäche.
RNT legt «Traumstart» hin
«Es ist ein Traumstart für uns», sagte der sportliche Leiter Dirk Demol. «Wenn du den Prolog gewinnst, hast du nicht nur das gelbe, sondern auch das grüne Trikot. Das ist eine tolle Publicity für das Team.» Trotz der bisher schwierigen Saison habe man bei RadioShack-Nissan immer gewusst, dass wenn man hart weiter arbeiten würde, irgendwann auch der Erfolg zurückkehre. RadioShack-Nissan habe nicht die größten Chancen auf den Gesamtsieg bei der Tour, doch genau aus diesem Grund ist die Motivation noch größer, um das gelbe Trikot möglichst lange zu verteidigen.
Demol ist von der Qualität und der Einstellung seiner Fahrer überzeugt: «Eines kann ich jetzt bereits versichern, wir werden eine vorbildliche, geschlossene Mannschaftsleistung während den kommenden drei Wochen abliefern.»
Entspannte Stimmung bei den Fahrern
Bevor RNT das gelbe Trikot in ihren Reihen hielt, war die Stimmung bei den Fahrern bereits relativ entspannt. Jens Voigt ging, nach Jaroslaw Popowitsch, als zweiter RNT-Fahrer auf die 6,4 km lange Strecke. Der Routinier gab alles und fuhr nach seiner Zielankunft erst einmal fünf Minuten herum, bevor er sich den Journalisten stellte. «Es war ein sehr guter Kurs, vergleichbar mit dem von 2004. Und als wir uns heute Morgen die Wiederholung dieses Prologs anschauten, stellte ich fest, dass ich damals Siebter wurde. Das hat mich zusätzlich motiviert», so Voigt, der mit 19 Sekunden Rückstand auf dem 18. Platz landete. «Ich habe alles gegeben, doch in den Kurvenausgängen bin ich nicht mehr so schnell wie vor einigen Jahren», meinte der Routinier des Teams.
Tony Gallopin nahm am Samstag seine zweite Tour in Angriff und lag nach dem Prolog auf dem 83. Platz. „Ich bin froh, dass ich die 6,4 km hinter mir habe. Die Tour ist noch sehr lang und ob man nun eine Sekunde mehr oder weniger Rückstand hat, macht im Nachhinein keinen großen Unterschied“, so der Franzose, der während der ersten Etappe mit technischen Problemen zu kämpfen hatte. Er verlor schlussendlich 23 Sekunden und liegt nun auf dem 58. Platz.
Feststimmung am Straßenrand
Für Maxime Monfort lief das erste Tour-Wochenende nicht gerade perfekt. Auf der gestrigen Etappe war er in einen Sturz verwickelt, konnte sich aber wieder ins Feld zurückkämpfen und verlor somit keine weitere Zeit. Bereits der Prolog verlief für den Belgier nicht so, wie er sich das erhoffte: „Ich bin etwas von meiner persönlichen Zeit enttäuscht, doch ich wusste auch, dass dies ein Parcours für die Spezialisten des Prologs wäre.“
Der Belgier zeigte sich überwältigt von der fantastischen Stimmung: „C’était vraiment la fête“, konnte Monfort seine Vorahnung nach dem Prolog bestätigen: „Nicht jeder Radprofi hat die Chance eine Tour de France in seiner Heimat zu beginnen. Ich versuche einfach, möglichst viel zu profitieren.“
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