Unterschiedlicher hätten die Bilder kaum sein können. Während Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma) bereits im Zielbereich ausradelte, quälte sich das Gelbe Trikot, Tadej Pogacar (UAE), den Berg hinauf. Der Slowene schien völlig fertig von den Strapazen dieser Klettertage. Was für ein Kontrast! Ganze 2:51 Minuten verlor Pogacar auf Vingegaard, der die Etappe auch gewann. Es war ein dramatischer Einbruch des Slowenen, der damit nicht nur das Gelbe Trikot an Vingegard abgeben musste, sondern er rutschte er noch weiter, auf Platz 3, in der Gesamtwertung ab, hinter Romain Bardet (F/DSM).
„Ich habe es noch nicht verstanden. Was soll ich sagen – das ist es, wovon ich immer geträumt habe“, sagte Vingegaard nach der Etappe: „Wir hatten einen Plan, wir wollten hart fahren. Und alles hat funktioniert.“ Immer wieder setzte Jumbo-Visma Attacken und damit Nadelstiche gegen Pogacar. Auf einer niemals ruhenden Alpenetappe war es erst Primoz Roglic, der bereits am Col du Télégraphe, dem zweiten von vier Anstiegen, attackierte – Pogacar war zu dem Zeitpunkt bereits alleine.
In der Abfahrt zum finalen Anstieg, dem Col du Granon, eilte jedoch Rafal Majka seinem slowenischen Teamkollegen zu Hilfe. Doch der Machtdemonstration vierer Jumbo-Visma-Profis hatte UAE nichts entgegenzusetzen. Kuss und Roglic fielen zwar früh ab, sodass es dann ein Zwei-gegen-zwei-Duell zwischen Majka/Pogacar und Steven Kruijswijk/Vingegaard wurde. Doch die vorher getane Arbeit von Jumbo-Visma zahlte sich aus. 4,5 Kilometer vor dem Ziel folgte die eine Attacke von Vingegaard, die dann eine zu viel für Pogacar war.
Pogacar bleibt optimistisch
„Ich weiß nicht, was los war. Am Galibier habe ich mich noch gut gefühlt, dann gab es eine Attacke nach der anderen. Zum Schluss hatte ich keine guten Beine mehr, es war einfach kein guter Tag“, sagte Pogacar, der dennoch optimistisch bleibt. „Ich werde nicht aufgeben. Heute habe ich drei Minuten verloren, vielleicht gewinne ich morgen drei.“
Vingegaard gewann die Etappe also vor dem Kolumbianer Nairo Quintana (Arkéa Samsic) und Romain Bardet (DSM). Bob Jungels beendete die Etappe mit 13:53 Minuten Rückstand auf den Tagessieger als 23. „Um ehrlich zu sein, es war nicht mein bester Tag“, erklärte Jungels. „Ich habe den Kontakt zur Spitzengruppe verloren, als Jumbo-Visma im Télégraphe attackierte. Ich bin dann meinen Rhythmus weitergefahren.“ Jungels fuhr fortan mit Mickaël Cherel, der sich zuvor in der Ausreißergruppe des Tages befunden hatte.
„Er hat mir sehr geholfen. Mein Anstieg den Granon hinauf war dann nicht so schlecht“, sagte Jungels, dessen angepeiltes Ziel, der Etappensieg, bereits auf der 9. erreicht wurde. „Wir wollten heute (Mittwoch) mal schauen, wie lange ich mich dranhängen kann. Ich weiß nicht, vielleicht lag es doch an der Müdigkeit der ersten Woche. Es lag aber sicherlich auch an der Hitze. Ich habe mich am ersten Berg nicht gut gefühlt.“ Insgesamt war es ein gebrauchter Tag für die französische Mannschaft Ag2r-Citroën. Aurélien Paret-Peintre, der zuvor als 16. der bestplatzierte Fahrer in der Gesamtwertung war, verlor 29:42 Minuten.
Jungels’ schwierige Umstellung
„Es ist schwierig, von einem Moment auf den anderen für das Gesamtklassement zu fahren“, sagte Jungels. „Es war insgesamt ein schwieriger Tag für mich, aber auch für die ganze Mannschaft. Ich denke, bei drei Wochen kann man mal einen solchen Tag haben.“ In der Gesamtwertung liegt Jungels mit 19:17 Minuten Rückstand auf Platz 17.
Keinen leichten Tag erlebte auch Groupama-FDJ. Kevin Geniets hielt sich lange im starken Kollektiv bei David Gaudu. Der Franzose hatte früh Probleme, konnte sich dann aber erholen. „Ich war am Anfang der Etappe etwas blockiert“, sagte Gaudu. „Ich bin ruhig geblieben, konnte mich auf eine unglaubliche Mannschaft verlassen. Wenn sie nicht da gewesen wäre, hätte ich vielleicht zwanzig Minuten Rückstand im Gesamtklassement. Ich wusste, dass der letzte Anstieg schwer werden würde. Es ging für mich darum, die Fahrer einzeln einzuholen. Ich fuhr erst zu Pogacar auf, dann zu Adam Yates. Ich habe die Fahrer eingeholt, die ich einholen konnte.“
Gaudu fuhr 2:04 Minuten nach dem dänischen Etappensieger durchs Ziel und rutscht in der Gesamtwertung auf Platz 7. Geniets selbst fuhr mit 26:48 Minuten Rückstand als 37. über den Zielstrich. Der Luxemburger belegt in der Zwischenwertung Platz 47 auf 1:00:33 Stunde.
Am Donnerstag wartet die Königsetappe der Tour auf die Fahrer. Drei Anstiege der höchsten Kategorie und insgesamt 4.750 Höhenmeter über den Col du Galibier, den Col de la Croix de Fer hinauf zur Alpe d’Huez sind zu bewältigen.
Im Überblick
11. Etappe: Albertville – Col du Granon (152 km):
1. Jonas Vingegaard (Dänemark/Jumbo-Visma) 4:18:02 Stunden, 2. Nairo Quintana (Ecuador/Team Arkea-Samsic) 00:59 Minuten zurück, 3. Romain Bardet (Frankreich/Team DSM) 1:10, 4. Geraint Thomas (Großbritannien/Ineos Grenadiers) 1:38, 5. David Gaudu (Frankreich/Groupama-FDJ) 2:04, 6. Adam Yates (Großbritannien/Ineos Grenadiers) 2:10, 7. Tadej Pogacar (Slowenien/UAE Team Emirates) 2:51, 8. Alexey Lutsenko (Kasachstan/ Astana Qazaqstan Team) 3:38, 9. Steven Kruijswijk (Niederlande/Jumbo-Visma) 3:59, 10. Warren Barguil (Frankreich/Team Arkea-Samsic) 4:16, … 23. Bob Jungels (Luxemburg/Ag2r-Citroën) 13:53, … 37. Kevin Geniets (Luxemburg/Groupama-FDJ) 26:48
Gesamtwertung nach 11 von 21 Etappen:
1. Vingegaard 41:29:59 Stunden, 2. Bardet 2:16 Minuten zurück, 3. Pogacar 2:22, 4. Thomas 2:26, 5. Quintana 2:37, 6. Yates 3:06, 7. Gaudu 3:13, 8. Wlassow 7:23, 9. Lutsenko 8:07, 10. Mas 9:29, … 17. Jungels 19:17, … 47. Geniets 1:00:33 Stunde
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