Neymar präsentierte der Fußballwelt ein Foto seines dick geschwollenen Fußes und schickte ein aufmunterndes „Auf geht’s“ hinterher. Doch da hatte die hitzige Diskussion um Brasiliens Superstar längst eine neue Dimension erreicht. Sein Teamkollege Raphinha knöpfte sich die kritischen Anhänger daheim vor und nahm eine Generalabrechnung in seine Instagram-Story auf: „Die argentinischen Fans behandeln Messi wie einen Gott. Die portugiesischen Fans behandeln Ronaldo wie einen König. Die brasilianischen Fans jubeln, wenn sich Neymar das Bein bricht.“
Neymar entzweit Brasilien: Schon seine Unterstützung für den rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte dem 30-Jährigen teils heftige Kritik eingebracht, viele nehmen ihm seine Arroganz auf dem Feld und seine Schauspieleinlagen übel, auf seine Bänderverletzung am rechten Sprunggelenk reagierten zahlreiche Fans mit Spott und Häme.
Barcelona-Stürmer Raphinha als Unterstützer fachte die Auseinandersetzung erst richtig an: „Wie traurig, dass der größte Fehler in Neymars Karriere ist, dass er als Brasilianer geboren wurde. Dieses Land verdient sein Talent und seinen Fußball nicht.“
Der Rekordweltmeister hätte vor dem zweiten Spiel am Montag um 17.00 Uhr gegen die Schweiz genug damit zu tun, den Ausfall seines Stars zu kompensieren – mindestens für die Gruppenphase. „Neymar ist natürlich ein außerordentliches Talent. Aber Brasilien hat viele große Talente, wir glauben auch an unsere anderen Spieler“, meinte Trainer Tite und gab sich betont gelassen.
Tite glaubt an Neymar-Comeback
Wirklich Grund zur Sorge sehen auch die Spieler nicht. „Es gibt ja Vini, Richarlison, Raphinha, Jesus. Wir hinten drin scherzen untereinander, dass uns manchmal die Gegner schon leidtun“, sagte Abräumer Casemiro. Man habe auch ohne Neymar „100 Prozent Vertrauen“, ergänzte Abwehrspieler Marquinhos: „Wir können mit Ausfällen umgehen.“
Auch der Schweizer Bundesligaprofi Nico Elvedi meinte: „Ich werde jetzt nicht besser schlafen, nur weil Neymar nicht spielt. Sein Aus ändert nichts.“ In der Tat ist Brasilien nicht mehr so abhängig von Neymar, der beim 2:0 gegen Serbien mit Tränen in den Augen vom Feld gehumpelt war.
In den vier Jahren seit der letzten WM holte der fünfmalige Weltmeister im Schnitt 2,6 Punkte mit ihm, 2,2 ohne ihn. Zwischen 2014 und 2018 hatte der Schnitt ohne den Superstar bei 2,1, in den vier Jahren davor bei 1,9 gelegen.
Der zweimalige Weltmeister Cafu glaubt deshalb: „Brasilien bleibt auch ohne ihn auf dem gleichen Level.“ Ersetzen könnte ihn Rodrygo von Real Madrid, der allerdings in seinen acht Länderspielen noch nie in der Startelf stand. Etablierter ist Fred von Manchester United.
Wer auch reinkommt – die Seleção muss beweisen, dass es bei einer WM zumindest vorerst auch ohne Neymar funktioniert: 2014 folgte nach dessen Wirbelbruch die 1:7-Demütigung gegen Deutschland, 2018 kam das Aus mit einem schwachen, nach einer Knie-OP noch nicht wieder in Schwung gekommenen Superstar im Viertelfinale. Er glaube, dass Neymar „noch bei dieser WM spielen“, werde, so Tite. Aber es gelte bei dessen wohl letzten Anlauf auf den „Hexa“, „von Tag zu Tag zu schauen“.
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