Der Täter mit der Eisenstange, die Schläge auf die Beine – alles erinnert an das Drama um Tonya Harding und Nancy Kerrigan: Der gewalttätige Angriff auf eine Nationalspielerin, der den französischen Frauenfußball derzeit erschüttert, erscheint wie die Nachahmung des Eiskunstlauf-Kriminalfalls von 1994 – einem der größten Sportskandale der Geschichte.
Noch liegen die Hintergründe der Attacke auf Kheira Hamraoui von Meister Paris St-Germain im Dunkeln. Dennoch hat die Polizei im Fall rund um den Hauptstadtklub am Mittwoch zwei Verdächtige in Gewahrsam genommen. Dabei handelt es sich um Hamraouis Vereins- wie Nationalmannschafts-Kollegin Aminata Diallo und um einen Mann, der in Lyon im Gefängnis sitzt. Er soll laut Berichten in enger Verbindung zu Diallo stehen.
Hamraoui war am Donnerstag vergangener Woche von zwei maskierten Männern angegriffen worden. Die Täter zerrten die 31-Jährige bei der Rückfahrt von einem Klubessen aus dem von Diallo gefahrenen Auto und schlugen mit einer Eisenstange auf Hamraouis Beine ein. Die Mittelfeldspielerin erlitt dabei Verletzungen an Oberschenkeln und Schienbeinen. Hamraoui, die mittlerweile Personenschutz erhalten hat, soll laut Medienberichten immerhin körperlich keine gravierenden Schäden davongetragen haben.
Über die Hintergründe der Tat gibt es in Frankreich mittlerweile übereinstimmende Schilderungen in den Medien. Demnach erhielten mehrere PSG-Spielerinnen vor dem Angriff auf Hamraoui anonyme Drohanrufe. Dabei soll sich der Anrufer vor allem abfällig über Hamraoui geäußert haben. Auch Hamraoui selbst soll telefonisch bedroht worden sein.
Befreundet oder verwandt?
Die Polizei konnte die Herkunft der Anrufe demnach auf die Region rund um das Gefängnis in Lyon eingrenzen. Dort sitzt ein Mann ein, der wegen Erpressungsfällen straffällig geworden ist. Nach Informationen französischer Medien ist der Mann mit Diallo gut befreundet oder sogar verwandt. All das weise auf eine Verwicklung Diallos hin, obwohl sie in der Vergangenheit eine freundschaftliche Beziehung zu Hamraoui gepflegt habe.
PSG verurteilte die Attacke „aufs Schärfste“ und verwies ansonsten auf die laufenden Ermittlungen, bei denen der Klub die Behörden unterstütze. Die Pariserinnen müssen sich zur Unzeit mit dem Skandal auseinandersetzen. Schließlich tritt der Tabellenzweite am Sonntag im Topspiel beim punktgleichen Spitzenreiter Olympique Lyon an.
„Diese Nachricht hat mich persönlich schockiert, ich bin immer noch ein wenig fassungslos“, sagte Lyons Trainerin Sonia Bompastor zu dem Fall: „Das ist zwangsläufig negativ für den Frauenfußball. Es ist schwierig für mich, die Ereignisse in Paris zu kommentieren, aber ich bin in Gedanken bei Kheira Hamraoui.“
Vor 27 Jahren war auch die US-amerikanische Eiskunstläuferin Kerrigan von einem Attentäter mit einer Eisenstange am Bein verletzt worden. Auftraggeber war Jeff Gillooly, der damalige Ehemann von Kerrigans schärfster Rivalin Harding. (SID)
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