Politiker, Gewerkschaften und Verbände mahnen ein stärkeres gesellschaftliches Engagement beim Kampf für die Gleichberechtigung von Mann und Frau an. Gleichstellung passiert nicht von allein, so lautet das mittlerweile weitverbreitete Credo. Allerdings zeigt sich immer wieder, dass sicher geglaubte Fortschritte wieder infrage gestellt werden. Ist der internationale Weltfrauentag demnach ein nützliches Mittel, um sich für die Rechte der Frauen starkzumachen? Und für was steht er eigentlich, betrachtet man unsere heutige Gesellschaft in Luxemburg?
Tag des Kampfes
von Claude Wolf
cwolf@tageblatt.lu
Ja, auf jeden Fall brauchen wir den internationalen Frauentag noch, solange die komplette Gleichstellung nicht erreicht ist. Er darf allerdings nicht als Fest missverstanden werden: Er ist keine Ehrung, er ist vor allem kein familiäres Symbol wie etwa der Muttertag oder auch der Vatertag. Er lässt sich eher mit dem 1. Mai vergleichen, denn genau wie dieser ist er ein Tag des Kampfes! Im Mittelpunkt steht dabei die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichstellung zwischen Männern und Frauen.
In der Theorie ist sie längst erreicht. Frauen haben Zugang zu allen Berufen, zu allen Ämtern, zu jeglicher Verantwortung. Die Kollektivverträge garantieren ihnen gleiche Löhne und gleiche Karrierechancen.
Bei genauer Betrachtung gibt es Abstriche. Ja, die Frauen studieren heute genauso viel und genauso gut wie die Männer. Sie starten auch ihre berufliche Laufbahn auf Augenhöhe mit ihren männlichen Gegenstücken. Und dann gründen sie eine Familie, bringen – aus biologischen Gründen – die gemeinsamen Kinder zur Welt und übernehmen wohl oder übel den größten Teil der familiär bedingten Pflichten. Selbst wenn die Väter hier immer mehr Pflichten übernehmen, kommt vor allem das politische oder gesellschaftliche weibliche Engagement häufig zu kurz.
Die Gemeindewahlen im letzten Herbst haben es bestätigt. Die um paritätische Gleichstellung, sprich Quoten, bemühten Parteien hatten Schwierigkeiten, genügend Frauen auf ihre Listen zu bekommen – eben weil diese, vor allem die jungen, neben beruflichen und familiären keine weiteren Belastungen auf sich nehmen wollen. Ein zusätzliches Engagement akzeptieren sie meistens erst, wenn die Kinder aus dem Haus sind.
Das Ergebnis der Wahlen hat es dann nochmals deutlich gemacht: Die Hälfte der Wählerschaft wird von einem knappen Viertel aller Gewählten vertreten. Von den 1.120 Mandaten, die im Oktober vergeben wurden, fallen 842 den Männern zu, nur 277 werden von Frauen wahrgenommen: Im Endeffekt sind das 215 Gemeinderätinnen, 50 Schöffinnen und gerade mal zwölf Bürgermeisterinnen.
Trotz vieler gut gemachter und eifrig kommentierter Werbekampagnen im Sinne von mehr Gleichheit lässt der erhoffte Gesinnungswechsel auf sich warten. Gutes, ja aggressives Marketing ist demnach weiterhin notwendig, um die Anerkennung der Fähigkeiten der Hälfte der Menschheit zu erreichen. Wenn der Frauentag hier etwas bewegen und somit die dringend notwendige Bewusstseinsbildung herbeiführen kann, dann hat er auch 109 Jahre nach seiner ersten Ausgabe ungeachtet aller Fortschritte noch nicht ausgedient.
Support statt Stutenbissigkeit
von Daisy Schengen
dschengen@tageblatt.lu
Brauchen wir heute einen Frauentag? Die Frage ist für mich, ein Kind der 80er, geboren in einem Land mit kommunistischer Vergangenheit, mit traditionellen Feierlichkeiten am 8. März, zugegeben keine leichte.
Und dennoch, glaube ich, dass die Pathetik des 8. März von früher, das Bild der hart arbeitenden Fabrikarbeiterin mit hochgekrempelten Ärmeln und die obligatorischen Nelken heute nicht mehr zeitgemäß sind.
Vielmehr sollten wir jeden Tag zum Frauen-, Männer-, ja zum Gesellschaftsdiskussionstag ausrufen. Der 8. März bündelt die Aktionen der Frauenbewegungen, stellt sie in den Vordergrund mit dem Ergebnis, dass sie wie ein Feuerwerk kurz aufleuchten, nur damit sich am 9. März Gesellschaft und Politik wieder ihrem Alltag zuwenden und den Forderungskatalog des Weltfrauentages sofort wieder in der Schublade verschwinden lassen.
Zwar sind wir heute in Luxemburg als Frauen der Gleichberechtigung einen großen Schritt näher gekommen: Wir führen Unternehmen, sind im Parlament und Regierung präsent. Uns wird zugehört, wir entscheiden mit, geben den Ton an. Vor nur wenigen Jahrzehnten sah es hierzulande noch ganz anders aus. Frauenwahlrecht und Abtreibung sind dabei nur zwei Beispiele.
Auf den bisherigen Erfolgen sollte man sich jedoch nicht ausruhen. Denn der Kampf um die Gleichberechtigung trägt sich heute jeden Tag aus. Stichwort Gehälterunterschiede. Oft wird dafür das Argument der Kinderbetreuung hervorgeschoben, die traditionell in Frauenhand war und leider noch überwiegend ist. Die Mühlen der Politik mahlen in diesem Zusammenhang sehr langsam. Die anderen, die in den Köpfen von Frauen und Männern festsitzen, vornehm „traditionelle Rollenbilder“ genannt, auch.
Es kann nicht mehr sein, dass Frauen sich rechtfertigen müssen, dass sie ihren Job, den sie gerne machen, verteidigen oder durch gesicherte Kinderbetreuung begründen müssen. Der neue „Congé parental“ ist ein riesiger Fortschritt für Mütter und Väter. Dass immer mehr Männer, die Kinderbetreuung übernehmen, zeugt von einem weiteren großen Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Diese Männer als „Pantoffelheld“ oder „sentimental“ zu bezeichnen, tut ihnen Unrecht. Genauso wie berufstätige Mütter als „Karrierefrau“ abzustempeln.
Ein Paradigmenwechsel muss bei den jungen Menschen von heute ansetzen. Junge Frauen und Männer sollten überzeugt werden, alle Chancen, die ihnen zur Verfügung stehen, zu ergreifen: einen Beruf erlernen, studieren, sich Rechte und Pflichten in der Familie teilen, sich auf Augenhöhe begegnen. Nur so lassen sich Schieflagen wie beispielsweise die Altersarmut bei Frauen, durch Pausen im Berufsleben, wieder korrigieren.
Last but noch least, Frauen sollten lernen, Allianzen zu bilden. Ob es sich um das Kreuzchen auf dem Wahlzettel für eine Kandidatin handelt oder beim Wettbewerb um die nächste Karrierestufe. Support statt Stutenbissigkeit bringt uns alle weiter. Jeden Tag. Nicht nur am 8. März.
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