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Zweiter Akt und Finale

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Barack Obama ist am Dienstag in der EU mit einer überwältigenden Mehrheit „wiedergewählt“ worden. Begreiflicherweise wurden die EU-Bürger bei diesen Wahlen allerdings nicht um ihre Meinung gefragt.

In den USA sieht das Bild etwas anders aus: Der Amtsinhaber setzte sich mit nur rund 50 Prozent der Stimmen gegen 48 für den Herausforderer durch. Die Karte der „roten“ (republikanischen) und „blauen“ (demokratischen) Staaten offenbart einmal mehr das Bild einer zutiefst gespaltenen Nation: E pluribus duo. Oder aber: Two nations under God. Zumindest gläubig sind ja nun – in God we trust – die allermeisten davon, ob rot oder blau.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Sicher, Obamas erste Amtsperiode wird wohl keinen übertrieben bleibenden Eindruck hinterlassen. Man muss ihm aber zugute halten, dass er von Anfang an gegen einen rechtslastigen Obersten Gerichtshof anregieren musste, sowie, seit den Midterm-Wahlen vor zwei Jahren, gegen ein ihm nicht eben wohlgesonnenes Repräsentantenhaus. Nun, da Obama wiedergewählt ist, lässt sich aber, eventuell, mehr Substanzielles von ihm erhoffen, vor allem weil ein US-Präsident in seiner von Gesetzes wegen letzten Mandatsperiode nicht bei allem, was er tut, ängstlich auf seine Wiederwahl schielen muss.

Zap the Ayatollahs!

Der US-Präsident hat ja nun doch einen gewissen Einfluss auf den Fortbestand des Weltfriedens und da könnte (man bemerke den umsichtigen Einsatz des Konjunktivs) es doch sein, dass es Netanjahu mit der Verwirklichung seines „Zap the Ayatollahs!“-Programms nicht ganz so leicht haben wird, als dies unter dem kriecherischen Romney mit größter Wahrscheinlichkeit der Fall gewesen wäre.

Und es wird sowohl dem Frieden wie der globalen Wirtschaftskonjunktur helfen, dass Obama und seine Leute im Umgang mit dem Reich der Mitte über deutlich mehr Fingerspitzengefühl verfügen als der republikanische Kandidat, der – als ob man bei den Republikanern und
bei … Bain Capital noch nie etwas von ebenso rücksichtsloser wie ungezügelter Marktwirtschaft gehört hätte – ausgerechnet mit „China bashing“ seinen Honig bei der Wählerschaft zu machen versuchte. An der innenpolitischen Front stellt der bereits erwähnte Supreme Court eine Herausforderung für den wiedergewählten Präsidenten dar. In jeder parlamentarischen Demokratie soll das Verfassungsgericht einen Garde-fou gegen die überbordenden Machtgelüste (aber manchmal auch nur die schiere juristische Inkompetenz) von Politikern und Parteien bieten.

In den USA dagegen droht diese Institution immer mehr zu einer Art Über-Regierung zu werden, die unter juristisch oft fadenscheinigen Gründen (wie die dissenting opinions der unterlegenen Richter mehr als einmal glaubwürdig aufgezeigt haben) die politische Marschrichtung der Nation im Sinne der Mehrheitsfraktion dieser „Justices“, unbeschadet der allfälligen Machtverhältnisse, in Legislative und Regierung zu zementieren sucht.

Dergestalt mutiert der De-jure-Beschützer der Demokratie zu deren De-facto-Totengräber.

Aber dagegen wird wohl auch Obama nicht viel ausrichten können: Denn ein Verfassungsgericht für zwei Nationen, das kann ja nun grundsätzlich nicht gescheit funktionieren. Doch sollte man Obama II nicht schon in Pessimismus ersäufen, bevor er überhaupt vereidigt wurde. Denn wie sagen unsere amerikanischen Freunde so schön: „It ain’t over till the fat lady sings!“