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Zwei Welten

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Nach unzähligen Gesprächen, Telefonaten, Recherchen vor Ort und ebenso unzähligen Kontrollen in puncto Richtigkeit der geschilderten Vorfälle greift der Journalist in die Tastatur und schreibt seinen Artikel. Er hat aber noch nicht einmal den letzten Satz fertig, schon klingelt das Telefon.

Der Pressesprecher eines Unternehmens teilt dem Journalisten mit, man sei darüber informiert worden, dass er dabei sei, zwecks eines Artikels über besagtes Unternehmen zu recherchieren. Der Journalist wird dann aufgefordert, den Artikel vor Abdruck an das Unternehmen zu schicken. Und dann der Zusatz: „Denn alle Artikel über unser Unternehmen müssen zuerst von uns genehmigt werden.“

Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Der hier in wenigen Zeilen geschilderte Vorgang hat längst keinen Seltenheitswert mehr. Täglich versuchen PR-Leute, sich in die Arbeit der Journalisten einzumischen. Das beginnt mit Bemerkungen bzw. Fragen à la „Wir hatten doch gestern ein Kommuniqué geschickt, finden es aber heute nicht in der Zeitung“ oder „Wir hatten heute eine Pressekonferenz, warum war kein Journalist Ihrer Zeitung da?“ usw. bis hin zu Vorgängen, wie wir sie oben beschrieben haben.

Große Unterschiede

Es gibt hierzulande täglich mindestens einen Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit irgendeines Unternehmens, einer Schule, eines Altersheims, einer Klinik, eines Museums, eines Ministeriums usw., der versucht, die journalistische Recherchekraft zu lähmen und publizistischen Leistungswillen zuzuschütten.

Dabei ist die Rolle der Pressesprecher doch aber klar abgesteckt: Ihre Aufgabe ist es, zu informieren, und zwar unter anderem über ihre Auftraggeber. Dass bestimmte Positionen vertreten werden, wenn man für sein Unternehmen, seine Organisation oder seine Partei spricht, ist offenkundig und kein Geheimnis – und kann gegebenenfalls auch zur Information gehören. Die Aufgabe der neutralen und kritischen Darstellung liegt aber ganz allein bei den recherchierenden Journalisten.

Den PR-Leuten sollte man vielleicht Folgendes in Erinnerung rufen:

– Artikel 6 des Luxemburger Pressegesetzes: „La liberté d’expression comprend le droit de recevoir et de rechercher des informations, de décider de les communiquer au public dans la forme et suivant les modalités librement choisies, ainsi que de les commenter et de les critiquer.“

– Artikel 2 des europäischen Kodex der Verhaltensgrundsätze in der Öffentlichkeitsarbeit (Code de Lisbonne): „In der Ausübung ihres Berufes respektieren die Public-Relations-Fachleute die Grundsätze der ‹Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte›, insbesondere den Grundsatz der Freiheit der Meinungsäußerung und den der Presse- bzw. Medienfreiheit.“

– Artikel 15 des gleichen Kodex: „Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.“

Die Zahl der hauptberuflichen Journalisten hat sich in den vergangenen zehn Jahren in Luxemburg verdoppelt, gleichzeitig hat sich aber die Zahl der PR-Beauftragten – laut Schätzungen – verdreifacht. In Zwischenzeit kann man davon ausgehen, dass um die 300 PR-Leute die etwas mehr als 500 Journalisten mit „Informationen“ füttern. Wie im Ausland wird auch in Luxemburg vermutet, dass die Zahl der PR-Mitarbeiter weiter steigen wird. Aber nicht nur zahlenmäßig wird die Öffentlichkeitsarbeit aufholen, die PR wird auch zunehmend journalistischer werden, nicht zuletzt deswegen, weil viele Journalisten die Seite gewechselt haben oder noch wechseln.

„Public Relation“ und Journalismus sollten aber nach wie vor klar mit dem Rücken zueinander stehen: Die PR hat die Seite der Auftraggeber im Blick, die Journalisten das Publikum.