Allen voran ist dies der Fall in der Automobilbranche – Opel aus ersichtlichen Gründen einmal ausgenommen. Im Durchschnitt können sich die Angestellten der deutschen Automobilhersteller auf Sonderprämien in Höhe von zwei Monatslöhnen freuen. Das Ganze liest sich im Detail folgendermaßen: Porsche-Mitarbeiter bekommen bis zu 8.111 Euro, die bei Audi 8.030 Euro, bei Volkswagen gute 8.030 Euro, bei BMW 7.600 Euro. Weit abgeschlagen liegen die Mitarbeiter von Daimler, die immerhin noch eine Prämie von 3.200 Euro bekommen. Dabei bricht Europas Automarkt gerade zusammen. Aber die Deutschen exportieren ja glücklicherweise für sie weltweit.
Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu
Ähnliches sieht man bei anderen deutschen Konzernen. Continental schüttet 100 Millionen Euro an seine Mitarbeiter aus und Chemiegigant Bayer 700 Millionen weltweit – wobei die Hälfte der Belegschaft in Deutschland angestellt ist. Etwas schlechter ergeht es denen bei Bosch: Sie müssen sich mit 17 Prozent eines Monatsgehalts begnügen. Das Familienunternehmen SMS, das voriges Jahr Paul Wurth übernommen hat, tut seinerseits eine Prämie in einen gemeinsamen Topf. Ausbezahlt wird dann am Ende des Jahres, je nach Gewinn des Unternehmens. Letztes Jahr gab es 1,5 Monatsgehälter beim Düsseldorfer Anlagebauer.
Die Angestellten haben sich diese Prämien redlich verdient. Sie arbeiten für Konzerne, die in die ganze Welt exportieren. Es gibt für sie sogenannte flächendeckende Tarifverträge, gewerkschaftlichen Schutz, Weiterbildungsprogramme und aller Voraussicht nach sichere Arbeitsplätze.
Wenn man die Berichterstattung – vor allem der deutschen Medien – der letzten Tage über diese Konzerne liest, merkt man, wie stolz nicht nur die Arbeitgeber, sondern mit Recht auch die Angestellten über die geleistete Arbeit sind. Mehr noch, man merkt, wie die Medien, die Politik, eine ganze Gesellschaft stolz auf diese Erfolgsgeschichten sind.
Viele von diesen Angestellten haben schwer gearbeitet und viele Entbehrungen in Kauf nehmen müssen. Andere haben das auch. Etwa die Stahlarbeiter aus Deutschland. Deren Gewerkschaft fordert 5,5 Prozent Lohnsteigerung – wohlgemerkt, jenseits der Mosel gibt es keinen Inflationsausgleich (Index) wie in Luxemburg. Die Medien melden, dass die Arbeitgeber damit nicht einverstanden sind, weil es ja nicht so richtig Wachstum gab letztes Jahr. Stimmt, meinen die Gewerkschaften, allerdings habe man sich in den vergangenen 15 Jahren – als es Wachstum gab – arg zurückgehalten mit den Lohnforderungen. Jetzt sei es an der Zeit, auch an die Binnenkonjunktur zu denken. Die Verhandlungen laufen, sie werden wohl zu einem Abschluss kommen. Man merkt allerdings, wie die Medien, die Politik, eine ganze Gesellschaft stolz auch auf dieses Modell sind. Zu Recht, meinen viele.
Antisoziales Paradies exportiert sich
Es gibt phänomenale Nachrichten aus Belgien und Luxemburg in Bezug auf Deutschland. Der belgische Wirtschaftsminister Vande Lanotte klagt, Deutschland würde Sozialdumping betreiben. Osteuropäische Angestellte würden massiv – etwa in Schlachtereien – in Deutschland zu einem Stundenlohn zwischen drei und vier Euro angestellt werden. Diese würden 60 Stunden pro Woche arbeiten. Sogenannte Minijobs sind sozialversicherungsfrei, auch die Rentenversicherungspflicht ist kein Muss. Es soll sich insgesamt um 500.000 Personen handeln. Es gibt für sie und viele andere keinen Mindestlohn. Deutschland sträubt sich dagegen. Die Belgier klagen, dadurch würden Arbeitsplätze in Belgien kaputt gemacht werden.
In Luxemburg flog vor ein paar Wochen sogar ein Fall auf, in dem Sozialdumping exportiert wurde. In Useldingen mussten Letten und Rumänen, die bei einem deutschen Unternehmen angestellt waren, Bäume entlang der Straße für einen Monatslohn in Höhe von 400 Euro abholzen. Man merkt, wie wenig davon in den deutschen Medien steht. Man ist nach zehn Jahren eher stolz auf dieses Modell, die Minijobs und die 4,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger.
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