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Zorniger Blick zurück

Zorniger Blick zurück

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Zeit ist nicht käuflich, es gibt sie nicht im Cactus-Regal, zu keinem Preis. Die verspielte Stunde, der vertane Tag, das Jahr der ungenutzten Chancen sind unwiederbringlich weg, im öffentlichen wie im privaten Leben. So gestatte man uns einen zornigen Blick zurück.

1. In Luxemburg war nach 34 bleiernen CSV-Jahren eine Parteienkoalition angetreten, die sich linksliberal wollte, dann aber sehr rasch zum finanz- und sozialpolitischen Wurmfortsatz der Juncker/Frieden-Regierung wurde.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Anstatt die tatsächliche Lage des Landes zu ergründen, die finanzielle, die wirtschaftliche, die soziale, verschrieben sich die Neuen dem Sparwahn der Alten.

Man malte die Staatsschuld, die, im Verhältnis betrachtet, zu den niedrigsten in der Union gehört, in düstersten Farben: Sogar die alte Lüge, es müssten laufende Ausgaben mit Anleihen finanziert werden, wurde aufgetischt; man unterschlug, dass der Schuld wertvolle Aktiva zugunsten der jetzigen und der kommenden Generationen gegenüberstehen.

Mit dem ungeniert «Zukunftspak» genannten Austeritätsprogramm schockte Blau-Rot-Grün im Frühherbst selbst die Kreise, die nach den anfänglichen Stil- und Kommunikationsfehlern noch an frischen Wind glauben wollten. Nur unter massivstem gewerkschaftlichem Druck kamen einige Korrekturen zustande. Aber das Vertrauen ist weg, wie auch die nächsten Umfrageergebnisse im Tageblatt zeigen werden.

Die CSV lacht genüsslich. Sie erstarkt mit Wiseler nicht aufgrund ihrer Ideen, sondern wegen der Fehler des Premiers und seiner Minister.

Aus dem Absturz in die Unpopularität ergibt sich natürlich die Verunsicherung der ohnehin knappen Majorität, deren gesellschaftspolitische Reformen ausstehen. Hat sie noch die Kraft zur Trennung der staatlichen und der kirchlichen Finanzen, die die offene und die okkulte Bezuschussung in aller Transparenz aufzeigt und regelt?

2. Europa, EU-Europa ist auch unter Juncker nur eine einzige große Enttäuschung. Was die Griechen jetzt tun, weil ihnen auch die Hoffnung stirbt, ist geradezu pathetisch: Da wehrt sich Athen, die Mutter der Demokratie, gegen den Tyrannen Kapital, der seine Renditen will, koste es an Leid, was es wolle.

Wohl nie war die Kluft zwischen den Menschen Europas und den politischen Machthabern so weit und so tief wie jetzt. Referenden wie das in England anstehende würden zeigen, dass bestenfalls kleinste Mehrheiten das EU-Projekt mit Fehlentwicklungen wie grassierender Arbeitslosigkeit und Verarmung des Mittelstandes tragen. Das großartige Projekt Europa steht auf der Kippe!

3. In welche Kriege US-Amerikas lassen «wir» uns nach Afghanistan noch hineinziehen, wir Europäer? Stehen wir morgen in der Ukraine,
an Russlands Grenze, als Feinde?

Das geostrategische Spiel der hegemonialen USA kann kein anderes sein, als die Herausbildung einer engen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland zu verhindern.

Die EU hat das Hightech-Wissen, Russland, immer noch eine militärische Großmacht, hat schier unendliche Rohstoffreserven, einen riesigen potenziellen Markt und gut ausgebildete Arbeitskräfte.

Warum bewegten sich Europas Politiker 2014 nicht auf die Russen zu? Fehlt ihnen der mutige Blick nach vorn?