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Zeit, zu investieren

Zeit, zu investieren
(dpa-Archiv)

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Bargeldreserven in Höhe von 2.200 Milliarden Dollar haben die US-Konzerne bis auf den heutigen Tag gehortet. Und bislang wissen sie nicht so recht, was sie mit diesem Geld anfangen sollen.

Laut einer Erhebung von Bloomberg geht es den großen Konzernen im Euroraum – Ausnahmen inbegriffen – ähnlich wie den Brüdern aus Übersee: VW hortet 25,4 Milliarden Euro, EDF 22,3, GDF Suez 18,3, Fiat 17,1, Total 17, Daimler 14,8. Für Shell, Renault, BMW, Siemens (usw., usf.) gilt dasselbe.
Ein Luxusproblem, also eigentlich gar keins, könnte man meinen – und das wäre für den Normalsterblichen wohl noch untertrieben. Dies würde stimmen, gäbe es nicht so folgenreiche Konsequenzen.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Wozu sind eigentlich die Banken da, wenn nicht um eben Geld einzusammeln, damit es danach – durch Kreditvergabe – wieder in den wirtschaftlichen Zyklus eingespeist wird? Die Wirtschaft wird somit nicht nur am Leben gehalten, sie soll dadurch auch wachsen. So klingt es zumindest in der Theorie. In den USA läuft der Großteil der Firmenfinanzierung – anders als in Europa – jedoch nicht über die Banken. Und ein Grund, warum die europäischen Konzerne so viel Geld gebunkert haben, war die instabile Lage der Banken auf dem Kontinent.

Wo auch immer diese 2.200 Milliarden Dollar und die nicht viel weniger Euros „liegen“ mögen, was nicht mit diesen Geldern passiert, ist jedenfalls klar: Sie fließen nicht in Innovationen, sie werden nicht in die Entwicklung und die Forschung gesteckt, sie werden schlicht nicht investiert. Die Großkonzerne verhindern bislang jegliche Umverteilung.

Absolutes Paradebeispiel ist Apple. Der Konzern, der traditionell keine Rendite ausbezahlt, hat sage und schreibe 137 Milliarden Dollar auf der hohen Kante. Apple – das Synonym für kreative Hightech-Entwicklungen der Spitzenklasse im schmucken Design – scheint keinen blassen Schimmer zu haben, was es mit diesem Geld anfangen soll.

Mal ganz davon abgesehen, dass sich so mancher Staat über verminderte Einnahmen beschwert wegen der Steueroptimierung so einiger Konzerne, nimmt die Bunkermentalität der Unternehmen mittlerweile groteske Züge an, weil sich die Umstände geändert haben. Wir schreiben nicht mehr das Jahr 2007, sogar die Eurozone scheint stabilisiert zu sein. Auch wenn die Finanzkrise bis heute Folgen hat, so ist doch die große Zeit der Panik allem Anschein nach vorbei. Entweder es fällt den Unternehmen schwer, vom Krisen- in den Investitionsmodus umzuschalten, oder aber die Konzernspitzen sind vollends einem libidinösen Verhältnis zu den Bargeldreserven verfallen.

„There is nothing quite as wonderful as money“ sangen einst Monty Python – die britischen Meister der surrealen Komik – ein Hohelied auf das erotische Erlebnis des Geldhortens, das in Anbetracht der heutigen Situation so surreal nicht mehr klingt.


„Wirtschaftlicher“ Kulturpessimismus

Zumindest in den USA könnte bald damit Schluss sein. Fast alles deutet wieder auf einen Aufschwung hin. Neben dem aufkommenden industriellen Boom durch niedrigste Energiepreise dreht sich so langsam wieder das Investitionskarussell.

Wetten, dass die europäischen Konzerne, auch dank des verbreiteten „wirtschaftlichen“ Kulturpessimismus und des seit Jahren eingetrichterten Austeritätswahns, erst als Letzte die Kurve kriegen?

Man käme sich doch dumm vor, wenn man jetzt investieren würde, wo man ja die Katastrophismus-Predigten der vergangenen fünf Jahre, wenn auch nicht in aller Öffentlichkeit propagiert, so aber zumindest stillschweigend unterstützt hat.