Heute, 65 Jahre später, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Welttag gefeiert und des Weltfriedens, der Abrüstung, einer Sportart, einer Geisteshaltung, einer Krankheit, der Wälder oder des Wassers gedacht wird. Nicht zu vergessen auch der Weltnichtrauchertag, der Weltzugvogeltag oder der Weltozonschichttag.
Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu
Manche Welttage sind einfach nur scheinheilig. Viele vergehen, ohne dass ein Hahn nach ihnen kräht. Andere wiederum werden unter dem Deckmantel der Sensibilisierung zu Werbezwecken instrumentalisiert. Und einigen wenigen mag es wirklich gelingen, zu informieren und aufzuklären. Doch es gibt einfach zu viele Welttage. Sie sind beliebig geworden. Deshalb rufen wir am Montag (22. April) den Welttag des Welttages aus. Informell, ohne Zustimmung der UN, einfach so. Auf einen mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an. Ein Welttag des Welttages, um manche Welttage, samt ihrem Sinn und Zweck, zu überdenken.
Unser Welttag des Welttages ist im Kalender der Welttage interessant platziert. Er ist in guter Gesellschaft und findet einen Tag vor dem Welttag des Buches (23. April) und eine Woche vor dem Welttag des Tanzes (29. April) statt. Den „English-Language-Day“ (23. April), den Welt-Malaria-Tag (25. April), den Welttag des geistigen Eigentums (26. April), den Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (28. April) und den Welttag zum Gedenken der Opfer chemischer Waffen (29. April) lassen wir einfach mal links liegen.
Lesekrise?
Zum Welttag des Buches: Der Welttag des Buches (der gleichzeitig auch der des Urheberrechtes ist!) gehört zu den angeseheneren unter den Welttagen. Jede Bibliothek, jede „Freude-am-Lesen-Stiftung“ und jede Buchhandlung bereitet sich auf den Feiertag des Produktes ihrer Daseinsberechtigung mit Leib und Seele vor. Lesungen, vor allem aber auch immer mehr Rundtischgespräche werden organisiert. Schließlich ist Krise. Finanzkrise, Eurokrise, Bewusstseinskrise, Lesekrise. Und deshalb soll der Welttag des Buches doch bitte dazu genutzt werden, um die Wichtigkeit des Buches in unserer ach so schnelllebigen, digitalisierten, oberflächlichen, ungeduldigen Welt immer und immer wieder zu unterstreichen. Nicht in erster Linie durch das Lesen selbst, sondern natürlich durch das Reden über das Lesen. Und hier liegt in den Augen des Komitees für den Welttag des Welttages der entscheidende Fehler. Anstatt erneut danach zu fragen, welchen Wert das Buch heute überhaupt noch hat, und damit zwangsläufig einen sinkenden Wert zu suggerieren, sollte der Welttag des Buches das Buch feiern. Es im Vertrauen in seine ureigene Ausstrahlungskraft (und die besitzt das Buch, da kann noch so viel gemeckert und befürchtet werden) loben, küssen und umarmen.
Deshalb empfehlen wir jedem, ein Buch in seiner Tasche zu haben, eigentlich immer, doch besonders morgen, am Welttag des Buches. Das Komitee für den Welttag des Welttages erlaubt es am Dienstag jedem, darin zu lesen, wann immer er will: morgens, mittags und abends, in der Schule, wenn der Lehrer langweiliges Zeug über Kompetenzen erzählt, an der Uni, wenn Derrida mal wieder dekonstruiert wird, am Arbeitsplatz, wenn der Chef Unnötiges verlangt, an der roten Ampel, wenn sowieso Stau ist, und bei der Konferenz in der Nationalbibliothek, sollten sich die Experten in ihrer Expertise verlieren …
Kommenden Montag dann ruft das Komitee für den Welttag des Welttages zum Tanz auf. Tanzend zur Arbeit, tanzend zum Bäcker, tanzend zum Arzt, tanzend ins Bett. Das wäre doch mal was. Solch eine Aktion würde die durchaus ehrenwerte Arbeitsgruppe der Sektion Tanz der Theaterföderation völlig verwirren. Diese verzichtet nämlich zum diesjährigen Welttag des Tanzes zugunsten eines 15-seitigen Problempapiers ganz auf das Tanzen. Tanzen am Welttag des Tanzes? Wozu das denn …?
Zur Beruhigung all jener, die lieber nachdenken als singen, tanzen und lesen: Das Komitee für den Welttag des Welttages wird den Vereinten Nationen vorschlagen, einen Welttag des Nachdenkens einzuführen. Dass es den noch nicht gibt, ist wirklich allerhand …
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