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Wegschreddern

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Zwei Jahre nachdem das Parlament die Bildung eines Untersuchungsausschusses SREL gestimmt hatte, spricht niemand mehr über eine Affäre, die zum Rücktritt einer Regierung und zur Bildung der ersten Dreierkoalition in der Geschichte des Landes geführt hat. Fast unbemerkt fand am Donnerstag die Sitzung des Parlaments-Kontrollausschusses Geheimdienst statt, der sich mit der Zukunft des alten Archivs des SREL beschäftigt.

Auslöser der SREL-Affäre war die fast am Rande der „Bommeleeër“-Ermittlungen bekannt gewordene illegale Aufzeichnung eines Gesprächs mit dem damaligen Staatsminister Juncker, die berühmte Armbanduhr-Geschichte.

Schnell war der Verdacht formuliert, dass der Geheimdienst wohl mehr als einmal illegale Lauschangriffe durchgeführt habe. Ein angeblich abgehörtes Gespräch zwischen Juncker und Großherzog Henri konnte bis heute nicht belegt werden. Andere illegale Abhöraktionen sollten jedoch später von der SREL-Spitze bestätigt werden.

Der Ende 2012 vom Parlament eingesetzte Untersuchungsausschuss wollte Licht in die Tätigkeit des Geheimdienstes bringen, und das bis zurück zu dessen Gründung 1960. Was den Parlamentariern in mühseliger Arbeit, nach etlichen Anhörungen von Agenten, von gewesenen und aktuellen SREL-Chefs auch weitgehend gelang.

Die Ergebnisse der Schnüffelaktionen schienen gigantische Ausmaße zu haben. Von 300.000 Karteikarten hatte Ex-SREL-Chef Mille beim mitgeschnittenen Juncker-Gespräch gesprochen. Die Krake SREL hatte während Jahren das Land offenbar fest im Griff. So wie weiland die berüchtigte Staatssicherheit in der DDR. Die Zahl sollte jedoch später auf einige Tausend Dossiers schrumpfen, Dossiers von SREL-Agenten über Politiker, Gewerkschafter, Mitglieder von Oppositionsbewegungen. Werden in Berlin die Unterlagen in Kilometern gemessen, reicht es in Luxemburg mit mehreren Metern Regalen.

Die Pappordner und Mikrofilme des sogenannten historischen Archivs wanderten in der Zwischenzeit aus dem SREL-Keller ins Staatsarchiv. Die Frage, der sich die Parlamentarier nun stellen müssen, lautet: Wohin mit den Dossiers, den Zeitungsschnipseln, den Berichten, in denen SREL-Männer genau festhielten, wann der junge Mann bzw. die junge Frau die Versammlung einer kommunistischen Gruppe verließ und wohin er oder sie anschließend hinsteuerte, wann die Person X aus Moskau oder Berlin (Ost) zurückkam.

Eigentlich müsste diese Datenbank zerstört werden, da sie illegal angelegt worden ist und persönliche Daten enthält, heißt es von Rechtsexperten. Nur, ist das angesichts der Brisanz und der politischen Folgen, die diese Affäre hatte, hinnehmbar? Auch wenn die Vernichtungsaktion erst nach der entsprechenden Auswertung der Unterlagen durch Historiker geschehen soll? Auf welche Dokumente wird sich der Geschichtsforscher stützen können, der in zehn oder zwanzig Jahren dieses Kapitel Luxemburger Politik aufarbeiten will?

Das historische Archiv des SREL sollte eben nicht vernichtet werden, der Zugang von Drittpersonen hingegen strengstens geregelt werden.

Ein Stück Vergangenheit sollte nicht einfach weggeschreddert werden.