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Was bleibt übrig?

Was bleibt übrig?
(Reuters)

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Von „Ich bin schwul – und das ist auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen!“ über „Wir sind zwar arm, aber trotzdem sexy“ bis zu „Und ich sage all denen, die jetzt protestieren: ...

… Wehe ich erwische einen davon, der am neuen Flughafen eincheckt“: Klaus Wowereit war noch nie um einen lockeren Spruch verlegen. Das hat ihn anfangs zum Kult-Bürgermeister Berlins gemacht.
Gegen Ende seiner Amtszeit hat es ihm nur noch das Image eines grantigen, selbstgerechten Politikers beschert.
Nach seinem Rücktritt von letzter Woche stellt sich die Frage: Was bleibt von der 13-jährigen Amtszeit Klaus Wowereits? War er wirklich nur ein Sprücheklopfer und Showman, der an dem überdimensionalen Projekt BER gescheitert ist?

Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu

Das politische Werk des Klaus Wowereit lässt sich selbstverständlich nicht auf ein paar Sprüche reduzieren, zu sehr hat er der Stadt Berlin seinen Stempel aufgedrückt. Seit dem 16. Juni 2001, dem Tag, an dem er zum Regierenden Bürgermeister Berlins gewählt wurde, hat sich die Hauptstadt der Bundesrepublik deutlich verändert. Vor allem die Gebiete Wirtschaft, Tourismus, Kultur und Gesellschaftspolitik haben sich in den 13 Jahren unter der Führung Wowereits deutlich weiterentwickelt.

Die vom ihm verordnete strenge Wirtschaftspolitik hat dazu geführt, dass Berlin zu den wenigen Bundesländern gehört, die keine neuen Schulden machen. Letztes Jahr erwirtschaftete die Hauptstadt ein Plus von 476 Millionen Euro. Was auch an den zahlreichen in Berlin angesiedelten Start-up-Unternehmen liegt. Im letzten Jahrzehnt wurde Berlin zum Zentrum der Gründerszene auf dem Alten Kontinent. 2011 übertraf die Zahl der neugegründeten Unternehmen die der aufgegebenen.

Kein sauberer Abgang

Auch im Bereich des Tourismus hat sich Berlin in den letzten zehn Jahren deutlich weiterentwickelt. Heute gehört die deutsche Hauptstadt zu den wichtigsten Zentren des weltweiten Städtetourismus, wie 24,9 Millionen Übernachtungen im Jahr 2012 belegen. Auch dem sozio-politischen Bereich hat Wowereit seinen Stempel aufgedrückt.

Im Besonderen bei der Integration von Homosexuellen hat er eine wichtige Rolle gespielt. Dank seines öffentlichen Outings hat er die reaktionäre Gesellschaft aufgebrochen und den Umgang mit Homosexuellen als selbstverständlich etabliert. Nebenbei wurde er deutschlandweit zur Schwulenikone. All diese Entwicklungen sind natürlich nicht allein auf Klaus Wowereit zurückzuführen, aber er hat den Stein ins Rollen gebracht und großen Anteil an den umgesetzten Reformen. Trotz dieser Bilanz ist er nach 13 Jahren als Bürgermeister tief gefallen. Das Chaos rund um den neuen Berliner Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) hat Wowereit sowohl sein lockeres und zugleich souveränes Image als auch sein Amt gekostet.

Da er für das Projekt BER verantwortlicher Aufsichtsratsvorsitzender war, blieb ihm nichts anderes übrig als die beschämende und teure Verzögerung des BER als größte Niederlage seiner politischen Karriere einzustufen und zurückzutreten. Sein Name wird für immer untrennbar mit dem Dilemma rund um den Bau des BER – der inzwischen anstatt geplanten 2 Milliarden Euro ganze 4,3 Milliarden Euro kosten soll – verbunden bleiben. Wer Verantwortung trägt, muss auch für Fehler geradestehen. Gerade an dieser Maxime ist Klaus Wowereit schließlich gescheitert.

Auf Kritik reagierte er zuletzt pampig und genervt. In regionalen Umfragen zur Zufriedenheit mit Politikern landete er zuletzt immer öfter auf dem letzten Platz. Wowereit hat einen sauberen Abgang verpasst. Letztlich kommt es allerdings darauf an, was von seiner Amtszeit übrig bleibt. Auf den ersten Blick ein teurer, unfertiger Flughafen. Auf den zweiten Blick eine weltoffene, attraktive Stadt, die dabei ist, sich wirtschaftlich zu erholen. Die Berliner täten gut daran, ihren alten Bürgermeister vor allem an Letzterem zu messen.

(Damien Valvasori/Tageblatt.lu)