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Von Freunden und Staaten

Von Freunden und Staaten
(AFP)

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Es liegt schon eine gewisse Hypokrisie darin, dass sich europaweit Amtsträger und Politiker öffentlich schockiert über die Snowden-„Enthüllungen“ geben, während andere in den letzten Monaten über Beschwichtigungen und Abwiegelungen in dem Spionage-Skandal nicht hinauskamen.

Das Krisenmanagement der europäischen Amtsträger ist aber deshalb so katastrophal, weil es die Regierungen vor ihren Bürgern nackt dastehen lässt.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Machen wir uns nichts vor. Spätestens seit den Berichten um Echelon vor einigen Jahren weiß die europäische Politik um die nachrichtentechnischen Fähigkeiten der USA. Ganz davon abgesehen, dass alle großen westlichen Länder – und nicht nur sie – Auslandsspionage betreiben. Die USA scheinen lediglich einen Vorsprung an Mitteln bei der Überwachung der Kommunikationsflüsse gegenüber den anderen zu haben – wenn die Regierungen denn nicht, worauf so einiges hindeutet, sehr eng zusammengearbeitet haben.

Die westlichen Regierungen sind deshalb so erbost, oder geben sich respektiv empört, weil der Schaden – neben dem für die Rechte der Bürger selbstverständlich – auf sie zurückschlägt. Da ist der Westen doch seit dem Zweiten Weltkrieg aufgetreten, als seien diese Länder die realpolitische Inkarnation von Enid Blytons „Fünf Freunde“. Und nun dies.

Ein Staat hat nun mal keine Freunde. Sicher, Staaten können Partnerschaften oder Allianzen eingehen. Sie können, wie wir wissen, auch tiefe Feindschaften pflegen. Was die internationalen Beziehungen angeht, kann man jedoch kaum davon ausgehen, dass Moral oder Freundschaft als Handlungsprinzip je eine wesentliche Rolle in dieser Domäne gespielt haben.
Das müsste auch den Luxemburgern in den letzten Jahren durch die medialen Attacken unserer „Freunde“ – besonders denen aus der unmittelbaren Umgebung – auf den Finanzplatz klar geworden sein.
Aber das Märchen über die Freundschaft zwischen den Staaten hat oft genug dafür gesorgt, dass etwa die momentane hegemoniale Rolle der USA – und der „Kollateralnutzen“ für ihre westlichen Partner – nicht zu sehr von der westlichen Öffentlichkeit in Frage gestellt wurde.

Manche meinen nun zu glauben, es müssten zwischenstaatliche Anti-Spionage-Verträge ausgehandelt werden. Eine doch recht naive Vorstellung, besonders bei der Spionage. Der Ansatz einer Lösung dieses Problems kann zwar richtigerweise nur auf internationaler Ebene geschehen. Doch wer glaubt, dass die USA auf ihren logistischen und technischen Vorsprung in dieser Materie oder die anderen Akteure auf ihre eigenen Kapazitäten von heute auf morgen verzichten wollen, der dürfte noch lange warten. Solange die internationalen Beziehungen in letzter Konsequenz nicht mit einer den Ländern überstellten Jurisdiktion – samt effektiv durchsetzbarem Strafkatalog – in diesem Bereich ausgestattet werden, wird es kaum zu einem wahren Fortschritt kommen.

Schaden und Nutzen zugleich

Den Schaden haben in erster Linie natürlich die Bürger, deren Daten oder Metadaten abgegriffen wurden. Doch in der Veröffentlichung der Snowden-Enthüllungen liegt auch eine Chance für sie. Die Affäre ist eine gute Gelegenheit, über den Grad an Obrigkeitshörigkeit nachzudenken, der auch hierzulande grassiert. Der Staat und die Regierung sollen dem Bürger dienen, heißt es bekanntlich – dazu müssen sich diese beiden aber auch zur Rechenschaft verpflichten, gerade über den Weg von mehr Demokratie. Eine Lehre, die so einige hierzulande auch noch nicht aus den rezenten Politskandalen gezogen haben.

Das Ganze zeigt jedenfalls, wie zerbrechlich die Demokratien, die Freiheit und die Privatsphäre in Wirklichkeit sind. Wer bislang dachte, diese wäre keiner Gefahr ausgesetzt, wird nun eines Besseren belehrt. Und das ist gut so.