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Verwirrendes Regelwerk

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Zum Jahresende ging den 27 dann doch die Puste aus.

Vielleicht sollte man zufrieden darüber sein, dass sich die EU-Staats- und Regierungschefs vor einer Woche nur auf eine vage Erklärung darüber festlegen konnten, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion aufzuschieben und erst einmal neue Vorschläge dazu bei den beiden Präsidenten Herman van Rompuy und José Manuel Barroso anzufordern.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Irgendwie ist das schon demütigend, hatten die beiden doch gemeinsam mit Jean-Claude Juncker und Mario Draghi einen ganzen Katalog zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion samt Fahrplan für dessen Umsetzung für das letztwöchige EU-Gipfeltreffen verfasst. Immerhin ging dem Treffen eine Einigung der EU-Finanzminister über die Bankenaufsicht voraus, die Bestandteil der Pläne der vier Präsidenten war. Ein Vorschlag zur Einrichtung eines gemeinsamen Abwicklungsfonds für marode Banken in der EU dürfte bald folgen. Nur über den dritten Teil der geplanten Bankenunion, eine gemeinsame Einlagensicherung, scheinen sich die Geister noch zu scheiden. Immerhin, vier Jahre nach der Initialzündung der Finanz- und der dadurch ausgelösten Wirtschafts- und Schuldenkrise wird Europa jetzt eine einheitliche Bankenaufsicht erhalten. Im zweiten Anlauf, wohlgemerkt.

Unübersichtlichkeit

Während das noch alles übersichtlich und notwendig ist, jedoch zu einer besseren Koordinierung der Wirtschaftspolitik nur am Rande beiträgt, wird eben in dieser Frage sowie in Sachen Budgetkontrolle munter weitergewurstelt. Das Regelwerk, mit dem die Euro-Staaten ihr nationales Finanzgebaren und ihre wirtschaftlichen Entscheidungen kontrollieren wollen, wird allmählich ebenso unübersichtlich wie die Finanzprodukte, mit denen die Finanzindustrie die Welt und insbesondere die Europäer in die Krise geworfen hat.

Denn alle Bestimmungen, die im Lissabon-Vertrag, in diversen Pakten und Verträgen, in Richtlinien und Verordnungen sowie den Kontrollmechanismen im Rahmen des Europäischen Semesters in den Krisenjahren geschaffen wurden, scheinen den 27 noch immer nicht auszureichen, um sich an die simplen Vorgaben der Drei-Prozent-Haushaltsdefizitgrenze, die 60-Prozent-Schuldengrenze sowie an eine mehr oder weniger koordinierte Wirtschaftspolitik zu halten. Ausgetüftelt wird jetzt noch ein Vertragssystem, über das sich die EU-Staaten verbindlich mit der EU-Kommission dazu verpflichten sollen, bestimmte Reformen zu Hause durchzuführen.

Wer seine Aufgaben gut erfüllt, dem wird noch ein finanzielles Zuckerl aus einem noch zu schaffenden Geldtopf in Aussicht gestellt. Wie das alles funktionieren soll, wer das bezahlen soll, wo sich die 27 nicht einmal auf einen ausreichenden Haushalt für die EU einigen können, und wozu man das noch braucht, weiß niemand zu beantworten. Denn längst werden den Euro-Staaten im Rahmen des Europäischen Semesters und der Einhaltung der Stabilitätsprogramme wirtschaftliche Reformvorgaben gemacht. Mit damit verbundenem Gruppendruck und Sanktionen, falls diese nicht eingehalten werden.

Und jetzt soll noch ein weiteres Regelwerk geschaffen werden? Das trägt nur zu einer weiteren Verwirrung, ja Unübersichtlichkeit bei. Irgendwann müssen sich die 27 eingestehen, dass nicht weitere Kontroll- und Aufsichtsmöglichkeiten die Lösung sein können, sondern die Verlagerung weiterer Kompetenzen auf die Gemeinschaftsebene.

Die 27 können sich nicht die Attribute eines Bundesstaates geben, mit einer einheitlichen Währung, die eine gemeinsame Wirtschaftspolitik bedingt, und zentrale Entscheidungen dazu auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilen.