Es besiegelte die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland und begrub die Wahnidee, dass beide Völker sich auf all ewige Zeiten als „Erbfeinde“ gegenüberzustehen hätten.
Francis Wagner
fwagner@tageblatt.lu
Ohne die Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen hätte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
(die 1957 gegründet wurde) nie überdauern und gedeihen können. Und ohne Versöhnung ist der nächste Krieg eigentlich nur eine Frage der Zeit.
Und genau dieses Problem stellt sich derzeit in Ostasien. Nippons Aggressionen gegen seine Nachbarn hatten längst vor dem Überfall auf Pearl Harbor begonnen. Korea war seit 1910 als Kolonie unterworfen, und in China richteten die Japaner in den Dreißigerjahren unsägliche Verbrechen an. Ähnlich wie die Deutschen wähnten sich die Japaner seinerzeit als Herrenmenschen, denen quasi per göttliches Dekret das Recht zustand, andere Völker unterjochen und ausbeuten zu dürfen.
Der fundamentale Unterschied zwischen Deutschen und Japanern: Im Land der aufgehenden Sonne hat so etwas wie Vergangenheitsbewältigung kaum stattgefunden. Barbarische Kriegsverbrechen wie das Massaker von Nanking (wo die Soldaten des Tenno 1937 mindestens 200.000 Chinesen ermordeten) werden bis zum heutigen Tag von japanischen Nationalisten nur allzu gerne einfach geleugnet.
Keine Bereitschaft zur Reue
Für regelmäßige Empörung sorgen japanische Politiker durch ihre Besuche in einem Shinto-Tempel, dem Yasukuni-Schrein, in dem u.a. das Andenken einiger der schlimmsten Kriegsverbrecher geehrt wird.
Und von der neuen konservativen Regierung unter Shinzo Abe ist in Sachen selbstkritischer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wenig Gutes zu erwarten.
Sie besteht, wie der Economist treffend erläutert hat, zum großen Teil aus radikalen Nationalisten. Japan hat den Opfern seiner Aggressionspolitik nie jene Bereitschaft zur Reue und Wiedergutmachung zu erkennen gegeben, wie sie für die Bundesrepublik Deutschland selbstverständlich ist.
Ein japanischer Premier, der in Nanking auf die Knie sinkt, so wie es Willy Brandt im ehemaligen Warschauer Ghetto tat, dieses Bild ist schier undenkbar. Es geht nun hier in keiner Weise darum, Tokio die alleinige Schuld im Streit um die Senkaku/Diaoyu-Inseln in die Schuhe schieben zu wollen. Es braucht immer zwei zum Tango.
Und die Art und Weise, wie China seine Wiedererstarkung mitunter zelebriert, ist auch nicht immer von übertriebenem Feingefühl gekennzeichnet.
Die Verstocktheit der Nationalisten und ihre Weigerung, endlich einzugestehen, dass Japan in den Dreißiger- und Vierzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts für einige der viehischsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit verantwortlich zeichnete, sorgen in den aktuellen Territorialkonflikten für große Verbitterung und Empörung bei den Nachbarn. Und unter solchen Umständen wächst leider die Gefahr einer gewaltsamen Beilegung des Inselstreits, welcher derzeit die Beziehungen zwischen Peking und Tokio vergiftet.
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