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Verpasste Chancen

Verpasste Chancen
(Tageblatt-Archiv/Pierre Matgé)

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Seit Oktober 2013 geht die Arbeitslosigkeit im Euroraum zurück. Zum Ende des Monats Juni lag sie bei nur noch 11,5 Prozent – der niedrigste Stand seit mehr als einem Jahr.

Das bedeutet, dass innerhalb von einem Jahr 783.000 Menschen (laut Eurostat) die Möglichkeit erhielten, sich ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen. Es bedeutet aber auch, dass insgesamt 18,4 Millionen Menschen im Euroraum diese Option verwehrt bleibt.

Logo" class="infobox_img" />Christian Muller cmuller@tageblatt.lu

Dass diese Situation für die Betroffenen – und ihre Familien – eine Katastrophe ist, erklärt sich von selbst. Doch auch für den Staatshaushalt und für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung der Länder ist dies alles andere als erfreulich.
Ersterer wird durch Sozialtransfers belastet, während Steuern auf Arbeit nicht eingenommen werden. Aber auch die Volkswirtschaft an sich leidet. Diejenigen, die als Nachwuchskräfte für eine starke wirtschaftliche Zukunft des Landes sorgen sollen, haben kaum Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln. Im gesamten Euroraum waren im Juni 3,3 Millionen junge Menschen (unter 25) auf der Suche nach einem Job.

Auch in den USA macht man sich Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft – auch wenn die dortige Arbeitslosenquote (laut Eurostat) nur 6,1 Prozent beträgt. Vor einem Jahr lag sie noch bei 7,5 Prozent. Es sind vor allem die hohen Kredite, die Jugendliche zum Studieren aufnehmen mussten, die die Zukunft belasten: Hohe Kredite und niedrige Löhne bewirken, dass junge Menschen viel länger bei den Eltern leben, ehe sie sich eine eigene Wohnung kaufen können. Doch als Konsumenten am Häusermarkt werden sie vermisst werden.

Infrastruktur für Dienstleistungen

Dabei sind die Arbeitslosenzahlen, sowohl in den USA als auch in Europa, mit Vorsicht zu genießen. Aus Mangel an Hoffnung haben sich viele Menschen von der aktiven Arbeitssuche zurückgezogen und sind somit nicht mehr in der Statistik vertreten. Zudem verbuchen Europas Krisenländer eine wachsende Auswanderung.

In Luxemburg sehen die Zahlen glücklicherweise besser aus als im Rest des Euroraumes. Laut Eurostat sind hierzulande nur 6,3 Prozent der Menschen in der Arbeitslosigkeit gefangen – bei den unter 25-Jährigen beträgt die Quote 14,8 Prozent. Im Gegensatz zum Euroraum steigt die Arbeitslosigkeit jedoch weiter an. Vor einem Jahr lag die Quote noch bei 5,9 Prozent. Dabei müsste alles so einfach sein – vor allem in Luxemburg. Jahr für Jahr werden Tausende neue Jobs geschaffen. Nur leider sind die Arbeitssuchenden nur selten Spezialisten für – sagen wir mal – das Steuerrecht in Nigeria oder ausgebildete „compliance officers“.
Somit, auch wenn noch mehr Banken, Fondsverwalter, Anwaltskanzleien oder Zentralen multinationaler Konzerne nach Luxemburg kommen, wird das den Arbeitslosen kaum helfen.

Dabei gibt es Lösungen. Arbeit gibt es nämlich genug. Wirtschaftsnobelpreisträger Christopher Pissarides sieht die größten Möglichkeiten/Bedürfnisse im Bereich Dienstleistungen. In Sektoren wie Erziehung, Gesundheit oder Betreuung gibt es Nachholbedarf. Auch der Tourismus gehört dazu. Warum sucht der Staat nicht nach privaten Investoren, die beispielsweise ein neues Mega-Luxushotel, einen Ferienpark oder andere große Infrastrukturprojekte im Tourismus in Angriff nehmen? Eine genügend hohe Nachfrage dürfte es bereits in Luxemburg selbst geben. Die notwendige Kaufkraft ist vorhanden. Und die Adem könnte mit eingebunden werden und Kandidaten für die neuen Jobs ausbilden.

Früher hatte der Staat den Mut zu solchen teuren Investitionen: etwa der Baggersee in Echternach. Leider hatte man damals bloß an die Lebensqualität gedacht und kaum an Geschäftsmöglichkeiten. Das war auch nicht notwendig, denn es gab kaum Arbeitslose. Heute hingegen fehlt es an Visionen.

(Christian Muller/Tageblatt.lu)