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Unter die Haut

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Es ist ein offenes Geheimnis: Der dunkelhäutige Omar Y. mit Turban und Lederjacke wird häufiger „zufällig“ kontrolliert als Oma Erna mit Dauerwelle auf dem Kopf und Pudel an der Leine.

Und auch der verbeulte VW-Bus eines Rastaman wird nicht nur an der niederländischen Grenze öfter angehalten als die frisch gewaschene S-Klasse eines Schlipsträgers. Zufallskontrollen vonseiten der Polizei sind nicht ganz so zufällig, wie sie vorgeben, zu sein. Jeder weiß es, doch kaum einen stört es. Außer die Diskriminierten selbst.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Muss sich ein Polizist dann doch einmal für sein sogenanntes „Ethnic Profiling“, zu Deutsch „Ermittlungen aufgrund von Herkunftskriterien“ rechtfertigen, dann greift er gerne auf seine „Berufserfahrung“ und „Menschenkenntnis“ zurück. So geschehen letzte Woche am Verwaltungsgericht in Koblenz: Dort wiesen Richter die Klage eines dunkelhäutigen Reisenden zurück, der sich diskriminiert gefühlt hatte, weil ihn zwei Polizeibeamte in einem gut besetzen Zugabteil herauspickten, um ihn, und nur ihn, nach seinen Papieren zu fragen. Nachdem der Betroffene sich geweigert hatte, sich auszuweisen, wurde er mit auf die nächste Polizeistation genommen, wo dann – nach Durchsuchen seines Rucksacks – seine Nationalität festgestellt werden konnte: Deutscher. Kein illegaler Einwanderer.

Doch die Identitätsfeststellung sei rechtsmäßig gewesen, befand das Verwaltungsgericht Koblenz. Es entschied: Die Polizei darf Bahnreisende aufgrund ihres ausländischen Aussehens auch ohne konkreten Verdacht kontrollieren. Vor allem auf Bahnstrecken, die Ausländer erfahrungsgemäß zur illegalen Einreise nutzen. Wegen „einschlägiger grenzpolizeilicher Erfahrung“.

„Ethnic Profiling“

Wo fängt Diskriminierung an, wo hört legale Kriminalitätsbekämpfung auf? Oder ist ein wenig Diskriminierung – wie „Ethnic Profiling“ – zur vermeintlichen Kriminalitätsbekämpfung gar erlaubt? Die Antwort muss eindeutig „Nein“ lauten. Ermittlungen, die sich auf ethnische, rassenbezogene oder religiöse Stereotype stützen, verstoßen gegen ein fundamentales Rechtsprinzip: den Grundsatz, dass der Staat jeden Bürger als ein Individuum und nicht lediglich als Mitglied einer Gruppe zu behandeln hat. Hinzu kommt, dass einschlägige Studien bewiesen haben, dass „Ethnic Profiling“ meist nicht nur diskriminierend, sondern sogar ineffizient, wenn nicht gar kontraproduktiv ist. Das „Open Society Institute“, das sich zum Schutz der Menschenrechte einsetzt, hat mit dem nach den Anschlägen von New York (2001), Madrid (2004) und London (2005) verstärkten „Krieg gegen den Terror“ einen ausführlichen Bericht (2009) verfasst, der eindeutig feststellt, dass die Polizei durch das Erfassen ethnischer Minderheiten gerade jene Menschen gegen sich aufbringt, auf deren Mitwirkung und Information sie bei der Kriminalitätsbekämpfung angewiesen ist. Außerdem werden bei einer Vorauswahl bestimmter Personengruppen nicht selten jene übersehen, die eben nicht ins Profil passen.

Ein Polizist, der seine Verdachtsgründe nicht mit verhaltensbedingten Faktoren begründen muss, sondern sich von Stereotypen leiten lässt (Oma Erna versus Omar Y.), grenzt Minderheiten aus, stigmatisiert ganze Bevölkerungsgruppen und vermittelt zudem leicht eine gefährliche Botschaft an die Gesellschaft: Mitglieder bestimmter Gruppen stellen eine besondere Bedrohung dar. Und warum sollten sich nicht auch ein Kneipenbesitzer, ein Busfahrer oder ein Lehrer von der ohnehin in unseren Gesellschaften schlummernden Xenophobie leiten lassen, wenn es sogar die Polizei tut?

Das deutsche Satiremagazin Titanic bringt die Problematik auf den Punkt, indem es einen fiktiven, das Urteil aus Koblenz begrüßenden Polizeibeamten zitiert: „Unsere Arbeit bleibt allerdings weiterhin schwierig. Stellen Sie sich vor: Manche Kriminelle tarnen sich mit mitteleuropäischem Aussehen, akzentfreier Sprache und weißer Haut – das ist nicht gerade fair gegenüber der Polizei!“