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Unser Staat, sein Geld

Unser Staat, sein Geld
(Alain Rischard/editpress)

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Der Staat ist unser, aber unser Geld, wenn der Staat es mal hat, ist seins. „Genau“, sagt die Regierung, „und deshalb machen wir damit, was wir für gut und richtig halten. Die Vollmacht dafür gibt uns die Kammermehrheit, die den Volkswillen ausführt“.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Formal mag das ja stimmen, aber in der Praxis sollte das moderne Demokratieverständnis eine solch primitive Auslegung ablehnen. Früher, in archäologischer Zeit, sagen wir mal vor 1989, waren die Welt, Europa und Luxemburg über Jahre hinaus stabil, berechenbar; der Wähler konnte davon ausgehen, dass sich in einer Legislaturperiode nichts Wesentliches ändern würde und er deshalb in der Rolle des stillen Beobachters bleiben könnte.

Dieser gemütliche Rahmen wurde von der sich ungemein beschleunigenden Entwicklung (Geostrategie, Wirtschafts- und Finanzpolitik, Medien, Gesellschaft, Kultur, Demografie und Lebenserwartung, Forschung) gesprengt. Gesprengt!

Wir leben heute auf eine Art und Weise, die nichts mehr gemein hat mit all dem, was vorherige Generationen sich übermittelten. Der Tag zählt zwar immer noch und nur 24 Stunden, aber er verläuft anders, immer wieder anders, generell, bei der Arbeit, im Verkehr, in der Schule, zu Hause, in der Freizeit. Jemand, der aus dem Jahr 1989 ins Jahr 2015 katapultiert würde, irrte wie verloren herum und würde sich vielleicht als Erstes fragen, ob eine schreckliche, ansteckende Ohrenkrankheit ausgebrochen wäre, weil überall so viele Menschen die Hand an die Muschel pressen und gestikulierend Monologe führen.

Für den politischen Beobachter ergibt sich daraus zwingend die Forderung nach Kurskorrekturen seitens der Regierung, wenn die öffentliche Meinung, entweder direkt oder über die repräsentativen Verbände, die gängige Praxis unmissverständlich ablehnt.

Dass ihr Handeln, insbesondere in finanz-, wirtschafts-, sozial-, schul- und kulturpolitischen Dingen, auf eine vielschichtige, inzwischen massive Ablehnung stößt, kann der Regierung nicht entgangen sein. Auch Minister und Abgeordnete kommen nicht daran vorbei, Zeitung zu lesen, auf Webforen zu scrollen, Umfragen zur Kenntnis zu nehmen. Also weiß die Dreierkoalition erstens, dass sie heute brachial vor die Tür gesetzt würde, und zweitens, dass spezifisch ihre Sturheit nervt, wenn sie auf der Brüsseler Schiene weiterfährt, als wäre sie die richtige.

Da kann der Wähler nicht anders als schlussfolgern, dass es bei einer Wahl zwischen CSV + Junior bzw. DP, LSAP und „gréng“ nur um Speck oder Schweinefleisch geht.

Und weil Methaphern manchmal so schön sind: Der Luxemburger Ackergaul, sprich der vom Salär oder Rente abhängige Steuerzahler mit dem kleinen und dem mittleren Einkommen, ist es satt, für immer mehr Steuern und/oder Taxen zu schuften; der Gaul, das solide, treue Arbeitstier, will jetzt, dass die Zügel gelockert werden. Sieht der „Bauer“ nicht ein, dass auch ein Gaul Achtung, Zuneigung und Extrafutter braucht, nimmt es ein böses Ende. Wenn der Gaul tritt, tritt er fürchterlich fest.

Noch ist der Staatshaushaltsplan in der vorliegenden Form nicht gestimmt. Noch kann, durch eine andere Betrachtungsweise der Schulden und der ihnen gegenüberstehenden Infrastruktur, der Rekord-Investitionen in die Zukunft und des sich daraus, allein daraus ergebenden Defizits, eine andere Lehre gezogen werden als die, man müsse weitermachen wie gehabt.
Man muss es nicht. Man sollte es nicht!