Selbst dem NATO-Oberbefehlshaber werfen deutsche Diplomaten vor, maßlos zu übertreiben und die europäische Friedensinitiative von Minsk zu torpedieren. Und ja, der berechtigte Vorwurf lautet: Man kann der politischen und militärischen Propaganda Russlands nicht mit politischer und militärischer Propaganda begegnen, will man die Eskalation des Ukraine-Konflikts vermeiden und die Umsetzung des Minsker Abkommens respektieren.
Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu
Allerdings sollte man unparteiisch sein und darauf hinweisen, dass diese Forderungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Russland im Ukraine-Konflikt ordentlich mitmischt und Präsident Wladimir Putin – trotz des miserablen Fingerspitzengefühls der EU in Sachen Assoziierungsabkommen mit der Ukraine – die Eskalation des Konflikts mitverschuldet und sie militärisch eiskalt zu seinen Gunsten genutzt hat: Janukowitschs Sturz war Niederlage und Chance zugleich. Putin ist somit kein Opfer des Westens. Er ist dafür mitverantwortlich, dass Falken wie Breedlove oder Nuland die Situation missbrauchen, um ihre Interessen durchzuboxen. Die Debatte sollte demnach gar nicht um die Frage kreisen, ob Russland militärisch in der Ostukraine aktiv ist und seine Propaganda zu verbreiten versucht.
Das sollte vielmehr Teil einer kritischen Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt sein, die zunehmend von einer ideologisierten Darstellung geprägt wird. Um nicht die amerikanische, russische oder ukrainische Propaganda zu schlucken, muss man auf die Verhältnismäßigkeit einzelner Tatbestände hinweisen – und darauf, was man nicht wissen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, die Augen vor Tatsachen zu verschließen und Putins Weste weißzuwaschen. Nein, es sollte vielmehr thematisiert werden, dass die NATO und die USA die russischen Aggressionen und Kriegshandlungen in einer unverhältnismäßigen Art und Weise darstellen, um Druck auf Europa auszuüben, weil die wirtschaftlichen Sanktionen mit Hinblick auf Moskaus militärischen Hunger nur wenig Einfluss haben (obschon Russland wirtschaftlich zunehmend geschwächt ist).
Man kann dies nun darauf zurückführen, dass Russland in bester US-Manier destabilisiert werden soll und auf einen Regimewechsel in Moskau gehofft wird. Man kann auch zum x-ten Mal festhalten, dass Waffenlieferungen an die Ukraine nur zu einer Verschlimmerung der Situation führen und noch mehr unschuldige Menschen das Leben kosten sowie das humanitäre Drama verschlimmern würden. Aber man sollte unabhängig von dem Misstrauen, das man Washington in Sachen Außenpolitik aufgrund zahlreicher fataler, historischer Fehlentscheidungen entgegenbringen muss, Putin auch für sein zynisches Machtpoker kritisieren, das dem der USA in nichts nachsteht.
Ob er nun seit oder vor dem Janukowitsch-Sturz alles geplant oder seitdem improvisiert hat, ist eigentlich Nebensache. Tatsache ist, dass Putin endlich Mut zum Frieden beweisen muss und die Angst vor dem Ansehensverlust bei der nationalkonservativen Wählerschaft seine militärischen Abenteuer in keiner Weise rechtfertigt.
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