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Union der Populisten

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In etwas mehr als einem Jahr finden in den 27 Staaten der Europäischen Union Wahlen zum Europäischen Parlament statt, die nicht nur von der Wirtschafts- und Schuldenkrise geprägt sein werden.

Unter Europa-Politikern werden sich zunehmend auch Fragen über die politische Zusammensetzung des neuen Parlaments gestellt. Nicht dass sie sich in erster Linie um ihren eigenen Sitz sorgen. Was insbesondere die EU-Parlamentarier umtreibt, ist vielmehr die Befürchtung, dass vor allem Populisten und Nationalisten jeglicher Schattierungen und einer gemeinschaftlichen, europäischen Politik abgeneigt bis feindlich gegenüberstehende Gruppierungen ein weitaus größeres Gewicht in der Volksvertretung erhalten. Wodurch das europäische Integrationsprojekt an einer weiteren Front einen Dämpfer erhielte, ist doch das Europaparlament mehr denn je die Avantgarde, was den Willen und die Bestrebungen, eine gemeinschaftliche Politik auf dem Kontinent zu betreiben, angeht. In dieser Haltung sind sich die im EP vertretenen klassischen politischen Fraktionen, von den Linken über Sozialdemokraten, Grüne und Liberale bis hin zu den Konservativen, übrigens einig. Zunehmend öfter auch im Gegensatz zu ihren jeweiligen nationalen Parteien. Was dazu führt, dass immer wieder von Politikern der gleichen Partei unterschiedliche Positionen vertreten werden, je nachdem, von wo aus sie sich melden, aus Brüssel und Straßburg oder aus heimatlichen Gefilden. Was nicht gerade für Klarheit beim Wähler sorgt.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Vorurteile und Klischees

Ausgangspunkt der Befürchtungen so mancher EP-Abgeordneten sind die Begleiterscheinungen des Krisenmanagements der 27 der vergangenen Jahre. Hier wurde deutlich gemacht, dass für die Misere, also die Schuldenkrise, immer nur das jeweilige Land zuständig ist. Schnell wurde wieder in nationalen Kategorien gedacht und gehandelt, wenn es darum ging, nach Ursachen und Lösungen zu suchen. Damit einhergehend wurden auf beiden Seiten – jener der Retter wie auch der zu Rettenden – Vorurteile und Klischees ins Feld geführt, die eigentlich zum Argumentationsrepertoire von Populisten und Nationalisten gehören. In solchen Situationen wird es dann immer schwerer, komplexe Zusammenhänge und die in Europa längst üblichen tiefgehenden wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen zu erklären.
Doch es waren, und das ist das eigentlich Beunruhigende im derzeitigen Europa, nicht nur die üblichen Verdächtigen, die sich der argumentativen Einfachheit halber der einfachen und einprägsamen vorgefassten Meinungen bedienten. Auch die sogenannten Etablierten, denen man in der Darlegung der Krisensituation eher eine gemächlichere Gangart nachgesagt hätte, neigten dazu, sich im Ton zu vergreifen. In einem derart eingestimmten Klima wird es dann schwer, Politik für Europa zu betreiben.
Vermutlich ist die Union nicht nur in wirtschafts- und währungspolitischer Hinsicht an ihre Grenzen gestoßen. Was sich aus der derzeitigen Krise an Lehren für die sogenannte „gouvernance économique“ ziehen lässt, bedarf eines Pendants auf der politischen Ebene.
Die Ausgestaltung der Krisenpolitik in der EU kann nicht 27 Einzelregierungen überlassen werden. Dies führt unweigerlich zu Konflikten und Spannungen, an denen sich jene nähren, die den Rückzug auf das Nationale predigen oder sich politische Vorteile vom Schüren einer kurzsichtigen Anti-Stimmung erhoffen. Beides wirft die Europäer zurück.