Mitreden, mitentscheiden, mitgestalten wollen wir. Aber wie geht das am besten?
Alvin Sold
Sollten alle wichtigen Fragen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden? Wie in der Schweiz etwa, die damit gut fährt?
Darüber lässt sich endlos streiten. Auch wir können uns nicht viel über die repräsentative Demokratie à la luxembourgeoise beklagen: Im Großen und Ganzen sind die gesetzlichen Grundlagen für ein geordnetes Zusammenleben solide und akzeptiert.
Aber so lebendig, wie es heutzutage sein sollte und könnte, ist das politische Leben in Luxemburg nicht. Eine Dosis direkte Demokratie wäre kein Fehler, denn es gibt genug spannende Themen, die sowieso überall und öffentlich diskutiert werden.
Referenden sind in einer reifen Demokratie keinSpaltpilz, sondern ein sehr geeignetes Verfahren zur Erkennung des politischen Willens. Man mag dagegenhalten, die Demoskopie mit ihren verlässlichen Umfragen erfülle den gleichen Zweck mit weniger Aufwand. Eben nicht: Das Resultat eines Referendums ist mehr als nur Orientierungshilfe, darüber sollte sich die Koalition, die den neuen Weg beschreitet, im Klaren sein!
Demnächst kennen wir die vier ersten Fragen. Laut d’Land käme folgende Formulierung der endgültigen Fassung ziemlich nahe:
1. Soll die Mandatsdauer von Regierungsmitgliedern auf zehn aufeinanderfolgende Jahre beschränkt werden?
2. Sollen sich 16- bis 18-Jährige fakultativ in die Wählerlisten eintragen dürfen, um das aktive Wahlrecht bei allen Wahlen zu erhalten?
3. Soll der Staat weiterhin durch die Verfassung verpflichtet werden, sämtliche Kosten der Priestergehälter und -pensionen zu tragen?
4. Sollen Ausländer das aktive Legislativwahlrecht nach zehn Jahren Aufenthaltsdauer und der Teilnahme an einer Gemeinde- oder Europawahl erhalten?
Herrlich! Darüber lässt sich bestens argumentieren, streiten und raufen, in der Presse und den Webforen und den Social Media!
Im Wort, das dem Erzbistum gehört und dient, legt schon einer los, zu Punkt 3 natürlich: „Der Bürger wird als Mittel zum Zweck missbraucht, um einen Kahlschlag zu rechtfertigen, den man längst beschlossen hat. Das, was diese Regierung mit der Luxemburger Kirche vorhat, ist keine partnerschaftlich motivierte Reform. Es ist ein perfider Anschlag auf die kulturhistorische Identität der Luxemburger (…).“
An der Überreaktion wird deutlich, wie verbissen die katholische Kirche Luxemburgs, die seit jeher vom Staat finanziell gefördert wird wie keine andere katholische Kirche in Europa, um „ihre“ Steuermillionen kämpfen wird.
Diskussion längst überfällig!
Diese dank ihrer nicht in die Bilanz einbezogenen Kirchenfabriken mit ungeheuren Reserven ausgestattete Institution ist sich ihrer bisherigen Privilegien, die in den politischen Querverbindungen wurzeln, offenbar nicht bewusst. Eine gründliche Debatte darüber und über die Mission der Kirchen (Plural) im pluralistischen Staat ist sowieso längst überfällig. An dieser Stelle werden wir sie sachlich führen.
Die drei anderen Fragen (die z.T. noch etwas unpräzise sind) würde der Schreiber dieser Zeilen ohne Zaudern mit Ja beantworten. Bei passender Gelegenheit werden dafür die Gründe nachgeliefert.
Aber, liebe Dreierkoalition, warum können wir nicht auch über Folgendes abstimmen:
5. Darf die Regierung weiterhin die Steuern direkt und indirekt erhöhen, bei gleichzeitigem Abbau sozialer Leistungen und Garantien?
Alvin Sold
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