Mit einem niederschmetternden Ergebnis. Laut Europäischer Zentralbank wird das Wirtschaftswachstum auch im nächsten Jahr noch ausbleiben, die Zahl der Arbeitslosen in Europa weiterhin steigen.
Dabei hat diese mit über 26 Millionen Menschen bereits jetzt eine erschreckende Rekordhöhe erreicht.
Rekordhöhen erreicht in manchen EU-Ländern auch die Zahl der Selbstmorde, in Bulgarien z.B. oder in Spanien. Zu groß ist die Hoffnungslosigkeit, die die aktuellen Zustände in Europa für viele Menschen mit sich gebracht haben. All dies klare Warnzeichen, dass der Unmut über die katastrophalen sozialen Folgen der rigiden Sparpolitik ständig zunimmt.
Folgerichtig wächst die Gefahr, dass es zu sozialen Unruhen kommen kann. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO hat in einer Analyse, die heute in Oslo vorgestellt wird, berechnet, dass das Risiko solcher sozialen Unruhen um zwölf Prozentpunkte höher liegt als vor der Finanzkrise. Mit einem besonders hohen Potenzial in Krisenländern wie Griechenland, Portugal, Zypern oder Italien. Die Schuld hieran gibt die ILO unverhohlen der „Spar“-Politik, die den „Krisenländern“ verordnet wurde. Eine klare Aussage von einer Sonderbehörde, die immerhin den Vereinten Nationen angehört.
Trotz solch dunkler Vorzeichen wird das Korsett, in das der normale Bürger zur Bereinigung der Finanzkrise geschnürt wurde, nur ganz langsam gelockert.
Zum Teil gelingt dies sogar nur mit gerichtlicher Hilfe, wie in Spanien, wo die Zwangsräumung von Wohnungen durch Banken inzwischen als rechtswidrig angeprangert wurde und Letztere sich mit unzähligen gerichtlichen Klagen konfrontiert sehen.
Das gewöhnliche Sozialdumping
Oder in Portugal, wo das Verfassungsgericht mehrere der Sparmaßnahmen der Regierung für verfassungswidrig erklärt hat. Auch anderswo zeichnet sich ein Umdenken ab. In Italien etwa setzt ausgerechnet der Technokrat und frühere EU-Kommissar Monti neue Zeichen und nimmt in Kauf, dass die Neuverschuldung um 0,4% steigen wird, weil der Staat endlich einen Teil seiner Schulden bei der Privatwirtschaft begleichen will. Zwar nur 40 Milliarden von insgesamt deren 110, doch immerhin. Ein Antrieb für die Wirtschaft, die zurzeit nicht nur in Italien vor sich hin darbt. weil die Verfechter der Austeritätspolitik von Beginn an die Kaufkrat der Bürger brutal abwürgte und so taten, als wüssten sie nicht,, dass es Verbraucher bedarf, will man produzieren. Aber sie waren ja auch nicht im Interesse der Bürger tätig. Frankreich will das sture Festhalten an der reinen Austeritätspolitik ebenfalls nicht mehr vorbehaltlos mitmachen.
In einigen Ländern scheint sich demnach, wenn auch nur langsam, die Erkenntnis durchzusetzen, dass es ohne begleitende Wirtschaftsmaßnahmen und ohne gerechte, abfedernde Sozialpolitik nicht möglich ist, die Situation zu ändern. Dass man hierfür auch finanzielle Mittel bereitstellen können muss. Dafür werden sie dann sofort von anderen EU-Ländern gemaßregelt.
Allen voran von Deutschland, das auf das Einhalten sämtlicher Kriterien pocht, jedoch selber in Sachen blaue Briefe aus Brüssel wegen Nichteinhaltung von Maastricht-Kriterien jahrelang einsam an der Spitze lag. Das gerne viel über Steuerdumping in anderen Ländern redet, jedoch weniger über das gewöhnliche Sozialdumping, auf dem ein beachtlicher Teil seiner Wirtschaftsleistung beruht. Fehlender Mindestlohn, Billiglöhne in ganzen Sparten, nicht sozialpflichtige Minijobs à 400 Euro und unzählige Familien, die seit Jahren in einer prekären Hartz-IV-Situation ausharren müssen, lassen grüßen.
In Oslo beginnt heute eine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation. Vier Tage lang werden Wege gesucht, die soziale Gerechtigkeit in Europa wiederherzustellen. Die Erkenntnisse der Konferenz sollte man beachten.
Denn die Ideenlosigkeit und die Prinzipienreiterei einzelner Länder in der EU verhindern die Entfaltung des gesunden Menschenverstandes, dessen es bedürfte, um die Krise sozialverträglich zu überwinden und zu verhindern, dass Europa immer mehr auseinanderbröckelt und sich Gräben auftun, die auf viele Jahre hinaus den finanziellen und wirtschaftlichen Standort Europa für viele Investoren unsicher und unattraktiv machen werden. Ein schnelles Umdenken ist erforderlich.
Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu
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