Headlines

«Treaty shopping»

«Treaty shopping»
(Alain Rischard/editpress)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

TTIP ist zurück – und ein neues Gerichtssystem gleich dazu.

Man könnte den neuen Vorschlag der EU-Kommission, so wie viele Gegner es tun, direkt in der Luft zerreißen. Es wäre wesentlich bequemer, darüber hinwegzusehen, dass trotz etlicher bestehender Mängel der gestrige Vorschlag auch Positives hatte. Bevor wir auf die vielen Löcher und Fallen des neuen Systems blicken, sollte einen folgendes doch ermutigen: Ohne den Druck der protestierenden Öffentlichkeit wären die TTIP-Verhandlungen weder transparenter geworden noch wäre an den zu Recht umstrittenen ISDS-Schiedsgerichten auch nur einen Millimeter gerüttelt worden.

Die alleinige Tatsache, dass die EU-Kommission ein neues Modell aufbauen musste und auf den Druck der kritischen Gegenöffentlichkeit reagiert hat, verdeutlicht zwei Dinge: Erstens sind normale Bürger nicht machtlos, wenn sie sich in einem sinnvollen Rahmen zusammenschließen. Zweitens scheint entgegen ersten Reaktionen die Kritik auch von den einstigen ISDS-Befürwortern ernst genommen worden zu sein.

Investment Court System

Von Alternativlosigkeit kann nicht mehr die Rede sein. Auch die Funktionsweise des neuen „Investment Court System“ (ICS) scheint durchdacht und wesentlich transparenter sowie fairer als die bislang geplanten ISDS-Schiedsgerichte zu sein. Klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch. Selbst wenn das ICS auf wundersame Weise alle Streitfälle fair schlichten würde, blieben mehrere Probleme. Der bei weitem eindeutigste „elephant in the room“: US-Unternehmen können über ihre Tochterfirmen weiterhin Ansprüche in Kanada geltend machen.

Dies, weil die EU bereits das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada ausgehandelt hat. CETA enthält jedoch, und hierin besteht der Haken, immer noch die alten, fragwürdigen ISDS-Schiedsgerichte. Gestern schien nichts darauf hinzudeuten, dass EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström die CETA-Verhandlungen noch einmal öffnen würde oder könne, beziehungsweise überhaupt daran interessiert wäre, das CETA-Dossier in irgendeiner Form zu verändern. Klartext: US-Firmen werden zum sogenannten „treaty shopping“ eingeladen

Rosinenpicken

Damit ist die Ansiedlung eines Unternehmens in jenem Land gemeint, das einem vertragsgemäß am geeignetsten scheint. Ist TTIP gerade opportun, siedelt sich das Unternehmen in den USA an. Kann man jedoch von CETA profitieren, lässt man sich in Kanada nieder und pickt dort die Rosinen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass zahlreiche US-Unternehmen ohnehin in Kanada ansässig sind, ein ernst zu nehmender Kritikpunkt, der nichts mit Verschwörungstheorien oder blinder Ideologie zu tun hat.

Denn Malmström ist sich der Problematik bewusst und hat sich bereits dazu geäußert. Allerdings scheint auch sie zurzeit keine Antwort darauf zu haben, wie mit diesem Problem umzugehen ist.
Demnach versucht Brüssel zwar stärker auf seine Bürger zuzugehen und Kritiker zu berücksichtigen sowie für scheinbar mehr Transparenz zu sorgen. Allerdings kann das neue ICS-System nicht über die CETA-Problematik hinwegtäuschen – somit dürften sich nicht nur die TTIP-Hasser bestätigt fühlen, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen zu viele Hintertüren hat.

(dsabharwal@tageblatt.lu)