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Streit, richtiger Streit

Streit, richtiger Streit

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Welch komische Zeit! Da finden viele es normal, dass der Apple-Chef 378 Millionen Dollar im Jahr „verdient“, dass der VW-Boss vertragsmäßige 17 Mio. Euro einsteckt, dass Mittal und seine 17 obersten Geschäftsführer sich 33 Mio. teilen, nachdem sie rund um den Planeten Personal auf die Straße gesetzt haben.

Man nimmt gerne zur Kenntnis, dass Fußball-, Tennis-, Golf-, Formel-1-, Box-, Rad- und Showbizzstars Unsummen raffen: So ist sie halt geworden, die nach Entertainment süchtige Gesellschaft dieser Tage. Sie weiß nicht mehr, was ethisch vertretbar ist und was nicht.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Sind die Pensionsansprüche derer, die in Luxemburg arbeiteten und arbeiten, vertretbar gegenüber jenen, die meinen, sie wären zu kürzen, so oder so? Weil das alte Konzept, das aus den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts irgendwann, um 2020, oder 2030, oder 2040, oder 2050, nicht mehr finanziert werden könnte, wenn nach den heutigen Regeln gerechnet würde?

Obwohl diese heute und morgen, und übermorgen noch satte Überschüsse in die Kasse spülen werden?! Wer wagt da den Blick in die ferne Zukunft und unterstellt, das Megadefizit wäre unvermeidbar? Wie gering ist doch in den Katastrophenszenarien die Einschätzung der heranwachsenden Generationen!

Warum sollte nicht, wenn es wirklich nötig würde – nicht jetzt, wo die Reserven sich häufen, aber später, wenn sie dahinschmölzen –, von den dann Verantwortlichen das Notwendige getan werden: Anhebung der Beiträge, Verlängerung der Beitragspflicht, Kürzung der Leistungen?

Warum muss das heute sein, ohne Not, ohne Absprache mit den sogenannten Sozialpartnern, die eigentlich keine mehr sind, weil die Patronatsseite die Gunst der Krisenstunde nutzen will, nicht nur in dieser Frage, sondern generell?

Weil der Chef (Juncker) seinem Minister (lat. für Diener) den Auftrag gab und auf die Erfolgsmeldung wartet? Obschon diese keine wäre, wie Wolter, ein Genosse des Alleinregierenden, lautstark verkündete. Nur Halbes täte Di Bartolomeo, härter sollte er ran, noch mehr Parteigänger der LSAP und Freunde aus Gewerkschaftskreisen verschrecke er, damit, nach 2014, die Privatversicherer mit den anderen Koalitionsvarianten der CSV (Grüne, DP, vielleicht ADR) ins Geschäft kommen …

Darf darauf verwiesen werden, dass es die CSV war, welche 1984 das „régime de solidarité“, den Generationsvertrag zur Rentenfinanzierung, an die Stelle des „régime de capitalisation“ setzte?

Vor 1984 zahlte jeder Arbeiternehmer, und in gleicher Höhe der Arbeitgeber, auf ein Konto ein, das später, wie bei einer Privatversicherung, den Rentenanspruch abdecken sollte.

Das bei der Privatbeamtenkasse hoch verschuldete Luxemburg brauchte damals eine Idee, um sich für Europa fit zu machen. Jacques Santer fand sie, die Idee: Man zerreiße die Schuldscheine und übernehme als Staat, in einer neuen Solidargemeinschaft, die Verpflichtung, in gleicher Höhe wie die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, etwa 8 Prozent, zur Rentenfinanzierung beizutragen.

So kamen dann 24% zusammen, eingezahlt von den Aktiven, deren steigende Zahl und wachsendes Einkommen es spielend ermöglichten, die Pensionsansprüche abzudecken. Bis auf den heutigen Tag und, zweifellos, bis in den Zukunftsbereich, der für Unternehmer als langfristig gilt: 5 Jahre und mehr.

Wo sind sie geblieben, die Milliarden?

Ist der „Rentenklau“ 1984 vergessen? Braucht der Staat, der damals auf die angesparten Beiträge (Milliarden!) der künftigen Pensionäre angewiesen war, um sich lieb Kind bei den Europäern zu machen, mit null Schulden und null Defizit (darin wurzelt die Erblüge der CSV-Finanzpolitiker), braucht der CSV-Staat, braucht dessen LSAP-Minister heute nicht einmal mehr ernsthaft mit den Gewerkschaften zu verhandeln, welche das gesamte Salariat vertreten?

Was sind das für Zustände!

Der Selbstherrlichkeit dieser Regierung muss Einhalt geboten werden, im höchsten Interesse einer wahren Demokratie. Die Legitimität der Abgeordnetenkammer in Ehren: Wir leben im 21. Jahrhundert; die vor ein paar Jahren gewählten Politiker haben den außerparlamentarischen Kräften Rechnung zu tragen.

Sonst gibt es Streit. Richtigen Streit.