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Sterben statt spielen

Sterben statt spielen

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Den ersten der Jahresendfeiertage haben wir geschafft. Das "Fest der Freude", so heißt es, wird in der Familie gefeiert. Der reichlich gedeckte Tisch und die vielen bunten Pakete unterm Tannenbaum haben wieder einmal alle angelockt, auch die, denen man sonst nur sehr selten im Familienkreis begegnet.

Die Kinder konnten es wiederum kaum erwarten, das Geschenkpapier in der Luft zu zerreißen, damit sie schnellstmöglich ihr neues Spiel ausprobieren konnten.

Logo" class="infobox_img" />Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Szenenwechsel: Anderswo auf der Welt konnten es Kinder kaum erwarten, den langen Weg in die Camps hinter sich gebracht zu haben. Dort warteten nicht etwa ein geschmückter Tannenbaum und Geschenkpakete, sondern eine Handvoll Reis, ein Stück Brot, ein Becher sauberes Wasser. Viele von ihnen haben es nicht geschafft, sind unterwegs an Hunger «krepiert». Während des kurzen Moments, in dem wir mit dem Sektglas in der Hand «Oh Tannenbaum» anstimmten, haben in Afrika, in Süd- und Zentralasien laut Statistiken 21 Kinderherzen aufgehört zu schlagen.

29.000 Kinder unter fünf Jahren sterben täglich in der Welt. Neunundzwanzigtausend! Und warum? Ganze 70% der 10,5 Millionen Kinder, die uns jährlich verlassen, sterben wegen Frühgeburt, Sauerstoffmangel bei der Geburt und Unterernährung, an Durchfall, Malaria, Neugeborenenkrankheiten, Lungenentzündung, an Krankheiten, die in den reichen Ländern schon vor Jahrzehnten ausgerottet wurden. Täglich sterben 6.000 Kinder allein durch die Aufnahme von verschmutztem Wasser und die dadurch hervorgerufenen Krankheiten! Zwei Drittel dieser Todesfälle sind in nur zehn Ländern zu verzeichnen.

In Angola überleben 20 von 100 Kindern die ersten fünf Jahre ihres Lebens nicht. In Sierra Leone sind es 16, in Afghanistan 15, in Liberia 14, in Niger 12. Zum Vergleich: In unseren Breitengraden liegt diese Zahl laut Weltgesundheitsorganisation bei 0,2 pro hundert.

Im größten Flüchtlingslager der Welt, im nordkenianischen Dadaab, ist die Zahl akut unterernährter Menschen mittlerweile «alarmierend hoch». In den letzten Monaten seien durchschnittlich um die 40.000 Hungernde dort angekommen. Die höchste Zahl seit 20 Jahren!

Und während wir mit der Lammkeule kämpfen, befinden sich die Helfer in Ostafrika im Kampf gegen die Zeit. «Dies ist eine Hungersnot der Kinder», warnen die Hilfsorganisationen. Und die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Die Vereinten Nationen haben erst vor wenigen Tagen drei weitere Regionen in Somalia als Zonen des Hungers eingestuft. Dazu zählt auch die Flüchtlingsgemeinde in Mogadischu. Die UNO schätzt, dass fast zwölf Millionen Menschen am Horn von Afrika Hunger leiden, Zehntausende seien bereits verhungert.

Und wen interessiert es? Kinder sterben zu Millionen und wir tun so, als ob wir nichts damit zu tun hätten. Der Sekundentakt dieser Katastrophe ist schon zum schrecklichen Alltag geworden und wird in den Berichten in der Regel ausgeblendet. Es sind immer nur bestimmte Krisenherde, über die berichtet wird. Was zählen Kinder denn schon, wenn es um Macht, Geld und die eigene Agenda geht? Unsere Gesellschaft muss erschreckend schwach sein, wenn sie ihr schwächstes Glied, nämlich die Kinder, nicht schützen kann.