Er zählt zu den bekanntesten Journalisten in Deutschland, schrieb schon jede Menge Bücher und gilt als RAF-Experte. Und noch immer hat Stefan Aust, der jetzt 75 wird, Projekte im Köcher.
Wenn Stefan Aust von der „tollsten Zeit“ in seinem Berufsleben als Journalist erzählt, muss man sich die so vorstellen: Lange und zähe Nächte in einem Schneideraum, freie Tage sind ein Fremdwort.
Es gibt aber diese fixe Idee, die einen antreibt. Aust spricht über „Spiegel TV“ und dessen Anfänge in den 1980er-Jahren. Der Journalist, Herausgeber und Publizist sagte der Deutschen Presse-Agentur anlässlich seines 75. Geburtstags am Donnerstag (1. Juli): „Die Zeit war journalistisch die interessanteste, aufregendste und erfolgreichste Zeit.“
Aust schildert: „Wir haben wahnsinnig viel gearbeitet. Ich glaube, ich habe die sieben Jahre fast durchgearbeitet.“ Freie Tage habe er nicht genommen, weil er keine Zeit dafür gehabt habe. „Das war sehr anstrengend – aber einen solchen Freiraum für die Arbeit habe ich vorher und hinterher nie gehabt.“
Aust, der in Stade bei Hamburg geboren wurde, ist einer der bekanntesten Journalisten in Deutschland. Für seine Karriere wird er geachtet und geschätzt, Kritiker gab es trotzdem. Der Aufbau des Fernsehmagazins „Spiegel TV“ fiel in eine Zeit, als das Privatfernsehen selbst in den Anfängen war. Die Zeit war geprägt von Aufbruch und Experimentieren auf einer neuen Spielwiese. Der Fernsehmarkt veränderte sich.
Der viel gereiste Journalist arbeitet bis heute, produziert Filme und schreibt Bücher. Aktuell läuft etwa auf der RTL-Streamingplattform TVnow eine fünfteilige Doku über die Kanzlerschaft von Angela Merkel.
Mit dem Journalismus begann Aust früh. Der Pferdeliebhaber war nach dem Abitur zunächst für die linksorientierte Zeitschrift Konkret tätig und hatte so auch näheren Kontakt zur späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof: Ihr damaliger Mann war Herausgeber des Magazins, die Journalistin schrieb Kolumnen. Die Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF) sollte ein wiederkehrendes Thema in seinem Berufsleben werden. Er schrieb etwa den Bestseller „Der Baader Meinhof Komplex“, der zu einer Art Standardwerk wurde. Jahrzehnte später verfilmte Uli Edel das Sachbuch fürs Kino. Der Film wurde für einen Oscar nominiert.
Aust produzierte über viele Jahre auch jede Menge Fernsehbeiträge für das Polit-Magazin „Panorama“ des Norddeutschen Rundfunks. Dann, nach einigen Jahren bei „Spiegel TV“, rückte Aust in den 1990er-Jahren parallel an die Spitze des Nachrichtenmagazins in Hamburg und blieb mehr als zehn Jahre Spiegel-Chefredakteur. Er nahm den Konkurrenzkampf mit Stern und Focus auf. Sein Ende an der mächtigen Spiegel-Spitze war begleitet von einem langen internen Hin und Her und Medienberichten über die Machtverhältnisse im Verlag.
Seit Jahren ist Aust Welt-Herausgeber im Axel-Springer-Konzern in Berlin. Davor war er beim Nachrichtensender N24 eingestiegen, der heute auch Teil des Hauses ist. Austs Wechsel zu Springer verwunderte so manchen in der Branche, weil viele Aust bei den eher linksorientierten Medien verortet hatten. Im dpa-Gespräch sagt er zum aktuellen Stand seiner Tätigkeit als Welt-Herausgeber: „Mein jetziger Vertrag läuft Ende des Jahres aus.“
Pickt man sich einen Moment aus Austs Berufsleben heraus, der einem Millionenpublikum bekannt ist, dann sind das wohl die Aufnahmen von dem Abend, als SED-Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz die DDR-Grenzöffnung verkündete. Aust hatte nach eigenen Angaben schon Tage davor ein „Spiegel-TV“-Team nach Ost-Berlin geschickt. Es nahm historische Szenen von der Öffnung des Schlagbaums am Grenzübergang Bornholmer Straße auf.
Immer wieder kamen Umstände zusammen, die den Journalisten zu bedeutenden Geschichten brachten. In seinen jüngst erschienenen Memoiren „Zeitreise“ schreibt Aust, der verheiratet ist und zwei Töchter hat: „Es wurde mir von Tag zu Tag deutlicher bewusst, welches Privileg es war, als ’so eine Art Journalist’, wie ich immer gern gesagt hatte, am Straßenrand der Geschichte zu stehen. Ein wenig wie Forrest Gump in dem gleichnamigen Film, ein bisschen doof – aber immer dabei.“ Zum Beispiel, wie er nach den Schüssen auf die Studentenbewegung-Ikone Rudi Dutschke 1968 in Berlin mit Ulrike Meinhof dabei gewesen sei, wie eine Protestgruppe vor dem Springer-Hochhaus verhindern wollte, dass die Zeitungen ausgeliefert werden.
Über den Journalismus von heute sagt Aust, der in Hamburg lebt: Es gebe „Aktivisten“ unter den Journalisten, „die ihre politische oder sonstige Agenda haben, die sie glauben, am besten im Journalismus durchsetzen zu können, was ja auch funktioniert“. Kritische Töne schlug er etwa schon zur Klimaberichterstattung von anderen Medien an.
Aust produziert auch mit 75 weiter und weiter. Er könnte sich zum Beispiel eine Doku-Serie zu seiner Autobiografie vorstellen. Weitere Pläne: „Ich habe mal das Buch ’Hitlers erster Feind’ über den Journalisten Konrad Heiden geschrieben, der die ersten Jahre von Hitler begleitet und der die erste kritische Hitler-Biografie geschrieben hat. Über seine Beobachtungen zu dem Aufstieg Hitlers – darüber würde ich gerne noch einen Film machen. Das hat bisher nicht geklappt.“ Aust schiebt nach: „Aber ich sage Ihnen: Das ziehe ich noch durch.“
Ob er sich vorstellen kann, noch ein neues Medium zu gründen? „Ich bin immer angestachelt, wenn ich auf eine neue Idee komme. Im Augenblick finde ich es schön, das zu machen, was ich immer gemacht habe: Nämlich Filme zu drehen und Bücher zu schreiben.“
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