Erst steht im Juni die Fußball-Europameisterschaft auf dem Kalender der Sportferventen, im Juli folgt die Tour de France, ehe die Olympischen Spiele Anfang August den Höhepunkt des Sportjahres 2012 markieren. Drei Monate also, in denen der Sport die Politik als Thema der allermeisten Stammtischdiskussionen ablösen dürfte.
" class="infobox_img" />Philip Michel pmichel@tageblatt.lu
„Es war eine politische Entscheidung. 90 Prozent der Europäer stehen hinter dieser Wahl, weil damit neue Grenzen überschritten worden sind“, hob Michel Platini die politische Dimension der EM-Vergabe an Polen und die Ukraine im Jahr 2007 hervor. Inzwischen dürfte der Präsident der Europäischen Fußball-Union (UEFA) diese Aussage bereuen, musste er doch nun, fünf Jahre und einen Machtwechsel in der Ukraine später, andere Töne anschlagen: „Die UEFA wird sich auch in Zukunft nicht in politische oder religiöse Belange einmischen“, so Platini in Anbetracht der Boykottdiskussionen rund um den Co-Organisator Ukraine.
Platini bemühte damit das Standardargument aller Sportfunktionäre, wonach Sport und Politik strikt zu trennen seien. Dabei hat es eine solche Trennung nie gegeben. Schon im antiken Griechenland fuhren die Athleten ihre Erfolge für eine Region ein und wurden zum Beispiel für einen Olympiasieg mit lebenslangem Wohnrecht und Verköstigung vom jeweiligen Herrscher belohnt. Damit die Athleten, Zuschauer und Würdenträger unversehrt zu den Wettkämpfen reisen konnten, gab es die griechische Tradition der „Ekecheiria“, also der Waffenruhe vor, während und nach den Olympischen Spielen der Antike.
In der Neuzeit war es spätestens mit Hitlers Propaganda-Spielen 1936 in Berlin vorbei mit dem unpolitischen Sport. Die olympische Bewegung ist voller Beispiele politischer Instrumentalisierungen, wobei die Boykotte zwischen 1968 und 1984 lediglich die Spitze des Eisbergs waren. Und auch der Fußball kann eine lange Liste vorweisen. Einige Beispiele: 1973 weigerte sich die sowjetische Mannschaft, zur Weltmeisterschaftsqualifikation in Chile anzutreten, da es dort kurz zuvor zu einem Militärputsch gegen Präsident Allende gekommen war. Nur fünf Jahre später konnte sich die argentinische Militärjunta als Organisator der Weltmeisterschaft in Szene setzen, während 1988 die sportlich qualifizierte Mannschaft Jugoslawiens wegen des Balkankriegs auch auf Druck der UNO von der Europameisterschaft ausgeschlossen wurde.
Wirtschaftsfaktor
Die Macht des Sports im 21. Jahrhundert beschränkt sich nicht mehr auf seine klassischen Werte wie Fair Play, Gleichberechtigung oder Völkerverständigung (aus der allerdings vor allem während Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften meist ausufernder Nationalismus wird). Vielmehr ist es der Wirtschaftsfaktor, der dem Sport seine vielleicht größte politische Dimension verleiht. Europas Klubfußball setzte in der Saison 2010/2011 rund 17 Milliarden Euro um. (Zum Vergleich: Im klassischen Staatshaushalt Luxemburgs sind für 2012 Ausgaben in Höhe von 13,74 Milliarden vorgesehen.) Die Gesamteinnahmen der UEFA durch die EM dürften bei gut 1,35 Milliarden Euro liegen.
In Anbetracht solcher Summen liegt es auf der Hand, dass nicht nur mit Sport Politik gemacht wird, sondern dass auch der Sport Politik macht. Oder zumindest machen kann. Was die UEFA im Fall Ukraine zunächst tat. Und dann, als ihr das Ganze zu politisch wurde, wieder nicht. Noch einen Tag muss sie sich diese Inkonsequenz vorwerfen lassen, anschließend reden eh nur noch alle über Tore, Paraden und Schiedsrichterleistungen. Über Sport eben, und nicht über Politik.
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