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Spielball vieler Interessen

Spielball vieler Interessen
(AP)

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So kann es gehen. Der Mann, der versprach, Luxemburg nicht zu verlassen, wurde zum Spitzenkandidaten einer Europawahl, der er sich nicht stellte. Nun wird er endlich den Posten bekommen, den er ernsthaft nie wollte.

So sonderlich es klingen mag: Die Kommissionspräsidentschaft hat Jean-Claude Juncker nicht nur Angela Merkel, sondern auch David Cameron zu verdanken. Nicht obwohl, sondern gerade weil beide ihn dort verhindern wollten, aber nicht konnten.
Getrieben durch den Aufschrei der Springer-Presse und der ARD – nachdem sie Juncker bereits fallen gelassen hatte –, musste Merkel sich hinter Juncker stellen. Cameron indes musste aus innenpolitischen Gründen einen „Alles oder nichts“-Kurs, samt schmutziger Kampagne gegen die Person Juncker, fahren. Jetzt kann der britische Premier den Märtyrer spielen und auf saftige Gegenleistungen auf EU-Ebene hoffen.

Hier liegt die Ironie hinter diesem scheinbar unausweichlichen Prozess, der verdeutlicht, dass Jean-Claude Juncker seit Wochen zur Nebenfigur eines Spiels degradiert wurde, das weit über seine Person hinausgeht. Dass nun eine Mehrheit der EU-Regierungschefs Juncker dem EU-Parlament als Kommissionspräsidenten vorschlagen werden, ist keine Entscheidung für die Person Juncker gewesen. Außer Österreich setzte sich kein einziges Land aus eigenem Antrieb für die Kandidatur Junckers ein.

Aus Sicht der europäischen Regierungschefs einigte man sich wieder mal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Während viele Juncker nur widerwillig zugestimmt haben, ließen zwei EU-Mitgliedsländer es sogar ganz darauf ankommen.
Die EU-Kollegen könnten ihre Entscheidung zu Juncker „noch zu Lebzeiten bereuen“, meinte der britische Premierminister gestern trotzig. In der Tat wissen diese seit Langem bestens über Junckers Schwächen Bescheid. Allen voran jene, dass der zukünftige Chef von 30.000 Spitzenbeamten bis dato sogar für Luxemburger Verhältnisse nur eher kleinen Verwaltungsapparaten vorstand. Er wird sich demnach nicht nur mit erfahrenen Verwaltern umgeben müssen. Berlin, Paris, London und die anderen werden auch aus anderen Gründen schon dafür sorgen, dass dem so sein wird.
All dies sind keine Anzeichen dafür, dass der zukünftige Kommissionspräsident gestärkt aus dem Verfahren herauskommen wird.

Und damit stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach der Handlungsfreiheit Junckers, der zum Spielball vieler verschiedener Interessen geworden ist.

sbremer@tageblatt.lu