Es ist noch immer einer der spektakulärsten Kriminalfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte, und für die Milliardärsfamilie ein anhaltend traumatisches Erlebnis. Auch 50 Jahre nach der Entführung von Aldi-Mitgründer Theo Albrecht am 29. November 1971 ist es für die Discount-Dynastie ein so belastendes Thema, dass niemand – zumindest öffentlich – darüber sprechen mag.
Nach 17 Tagen Gefangenschaft kommt der in Essen in einfachen Verhältnissen geborene Firmenchef von Aldi Nord gegen Zahlung eines Lösegeldes von damals unvorstellbaren sieben Millionen Mark frei. Überbracht wird das Geld nach zähen Verhandlungen mit den Entführern, die sich per Brief oder Telefon meldeten, vom damaligen Ruhrbischof Franz Hengsbach. Er erklärt sich bereit, am 16. Dezember auf einem dunklen Feldweg in Breitscheid bei Düsseldorf das Lösegeld in zwei Koffern zu übergeben. Wie mit den Kidnappern vereinbart, bleibt Theo Albrecht noch 24 Stunden nach der Geldübergabe in der Obhut des Bischofes, ehe er am 17. Dezember körperlich unversehrt zu seiner Familie zurückkehrt.
Aldi kennt jeder – die Familie nicht
Aldi kennt jeder – über die Familie Albrecht weiß man wenig bis nichts. Und von den damaligen Protagonisten lebt ein halbes Jahrhundert später fast niemand mehr. Der Entführte, der das Aldi-Imperium (Aldi steht für Albrecht Discount) mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Karl nach dem Zweiten Weltkrieg aus einem kleinen Lebensmittelladen der Mutter in Essen aufbaute, stirbt im Juli 2010 im Alter von 88 Jahren.
Beigesetzt wird Theo Albrecht nach einem extrem zurückgezogenen Leben in aller Stille auf dem Friedhof im noblen Essener Stadtteil Bredeney – noch bevor die Öffentlichkeit von seinem Tod erfährt. Sein Geburtsort Essen wird erst nach seinem Ableben bekannt – lange ungewiss ist auch sein Geburtstag, der heute meist mit dem 28. März 1922 angegeben wird. Aber auch der 13. März kursiert lange.
Theos Bruder Karl stirbt 2014, Franz Kardinal Hengsbach schon 1991. Auch die beiden Entführer, ein damals 47 Jahre alter Düsseldorfer Rechtsanwalt mit hohen Spielschulden und ein mehrfach vorbestrafter Tresorknacker (39), leben nicht mehr. Die Verbrecher werden nach der Tat schnell gefasst und später vom Essener Landgericht zu jeweils achteinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Ein Anwalt und ein Tresorknacker
Der Anwalt Heinz-Joachim Ollenburg und sein krimineller Komplize Paul Kron (Spitzname „Diamanten-Paule“) lauern ihrem Opfer vor der damaligen Konzernzentrale in Herten auf und verschleppen Albrecht, als er aus dem Auto steigt. Angeblich wollen sie eigentlich den älteren Bruder Karl entführen, doch der ist immer mit Chauffeur unterwegs.
Einblicke in den spannenden Entführungsfall liefert 2018 das Dokudrama „Die Aldi-Brüder“ von Regisseur Raymond Ley. „Die Entführung stellt eine Zäsur im Leben der Familie dar“, heißt es zu dem Film. Schauspieler Arnd Klawitter verkörpert darin Theo Albrecht. Grimme-Preisträger Ley bekommt für sein Werk Einblicke in die Gerichtsakten. Die Geiselhaft hinter einer Schrankwand in der Düsseldorfer Kanzlei inszeniert Ley als eine Art Kammerspiel, in dem Albrecht mit dem jovial-großspurigen Anwalt um die Lösegeldsumme feilscht: „Ich taxiere den Wert meines Lebens auf 500 000 Mark“, soll Albrecht zu Ollenburg gesagt haben.
Lösegeldsumme als Betriebsausgabe
Der als sehr sparsam geltende Albrecht rückt nach dem Entführungsdrama nur noch einmal größer ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Als er 1979 vor dem Finanzgericht Münster erfolglos klagte. Er will die Lösegeldsumme als Betriebsausgabe absetzen. Die Richter erklären die Entführung aber zur Privatsache, so dass nur der verschwundene Teil des Lösegelds als außergewöhnliche Belastung bei der Steuererklärung geltend gemacht werden kann. Viele Jahre lang gelten die Albrecht-Brüder mit einem Vermögen von geschätzt rund 17 Milliarden Euro als die reichsten Deutschen.
Mit seiner Frau Cäcilie hat Theo Albrecht zwei Söhne. Nach dem Tod von Berthold 2012 ist der drei Jahre ältere Theo Albrecht jun. quasi der einzig verbliebene Familien-Zeitzeuge der Entführung. Er ist laut Unternehmenssprecher damals 20 und heute 70 Jahre alt. Über die Entführung seines Vaters mag er auf dpa-Anfrage nicht sprechen. Bei Wikipedia wird nur sein Geburtsjahr (1950) angegeben.
Die Essener Polizei gründet seinerzeit eine Sonderkommission mit mehr als 160 Ermittlern für die bis dato größte Fahndung in der Bundesrepublik. Jeder Stein wird umgedreht, jedem Hinweis nachgegangen. Bei den Beamten, die mehr als 10 000 Überstunden ansammeln, bedankt sich Albrecht nach seiner Freilassung mit 120 Flaschen Sekt, zwei Fässern Bier und zwölf Flaschen Schnaps.
Eine schoene sache,dass die ermittlelnden beamten damals mit sekt,schnaps und bier entlohnt wurden.
Heute wuerde wohl nur medizinischer cannabis und 0,0 bier in frage kommen.