Headlines

Soziales Denkmal

Soziales Denkmal

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Als 1997 der letzte Luxemburger Hochofen (B auf Belval) tiefgeblasen wurde, wurde damit ein mehr als hundertjähriger Abschnitt nationaler Industrie-, aber auch Sozialgeschichte besiegelt.

Dass es damals, wie auch heute noch, mehr als einen gab, der die Ansicht vertrat, der „alte Schrott“ solle weg (am besten in seinem illegitimen Nachfolger, dem Elektro-Ofen, eingeschmolzen werden), ist ein Frontalangriff auf eine Epoche, die Luxemburg nicht nur industriell und wirtschaftlich, sondern auch politisch und kulturell prägte.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Die Kunst, aus erzhaltigem Gestein ein Produkt herzustellen, das zu Trägern gewalzt die Skylines der Megastädte zeichnet, das zu Blechen gschmiedet die automobile Fortbewegung prägte, das zu Draht gezogen in Tausenden von Bereichen Anwendung fand …, ist schon etwas Besonderes und kann nicht mit jener Technologie verglichen werden, die aktuell von der Luxemburger Eisenindustrie angewendet wird und sich auf das Einschmelzen von Schrott beschränkt.

Nicht vergessen werden darf bei der klassischen Eisenproduktion die harte Arbeit unter Tage, in den Erzgalerien des Landes, die auch heute noch den Boden des Südens durchziehen.

Bevor die Gewerkschaften sich entwickelten und an gesellschaftlicher Macht gewannen, die sie auch zum Schutz ihrer Mitglieder einsetzten, waren die Arbeitsbedingungen unter Tage vergleichbar mit denen, die auch heute noch in manchen afrikanischen Goldminen vorherrschen. Tote und Verletzte waren an der Tagesordnung.

1.477 Tote in den Galerien

In der Zeit zwischen 1870 und 1981 wurden 1.477 tödliche Unfälle in den Luxemburger Galerien gezählt; auch dies ist ein Kapitel in der nationalen Sozialgeschichte, das nicht vergessen werden darf – der hohe Preis der Förderung von mehr als einer halben Milliarde Tonnen Erz, das in den hungrigen Hochöfen von Esch, Schifflingen, Differdingen, Düdelingen, Steinfort, Eich zu Guss gekocht wurde.

Allein diese Zahlen sprechen für die Erhaltung von Hochöfen (schließlich sollten es nach langen Diskussionen und Lobby-Arbeit, auch von ehemaligen Hüttenarbeitern, zwei der mächtigen Produktionsmittel sein, die der Nachwelt erhalten bleiben).

Sicherlich hat dies auch touristische Hintergründe. Gemeinsam mit dem Rümelinger Minenmuseum und dem Fond-de-Gras (wo die Transportmittel des beginnenden Industriezeitalters besucht werden können) sowie dem entstehenden Differdinger industriegeschichtlichen Museum (mit Schwerpunkt Energieerzeugung) bietet Luxemburg nun den zahlreichen potenziellen Interessenten eine globale Übersicht über die Geschichte der Eisenproduktion. Doch dies ist nur zweitrangig angesichts der oben beschriebenen Bedeutung dieser Industriesparte für das Land.

Die Belvaler Hochöfen A und B – wenn auch für Puristen technisch zu stark „massakriert“, um den Ablauf der Produktion in seiner komplexen Gesamtheit verdeutlichen zu können – ziehen einen Großteil ihrer Ausstrahlung aus eben dieser sozialgeschichtlichen Bedeutung und in dem Sinne ist ihre Erhaltung, wenn auch recht kostspielig, alternativlos.