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Sozialer Fugenkitt

Sozialer Fugenkitt

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Was die aktuelle Regierung in ihrem Koalitionsprogramm zur Bekämpfung der Armut sagt, ist so vage, dass es für alles stehen kann. Gerade mal 23 Zeilen ist Gambia die Solidaritätspolitik wert.

Gut, man kann nicht alles in allen Einzelheiten darlegen, die angekündigten Maßnahmen wie der Ausbau der „épiceries sociales“ und der „Agence immobilière sociale“ (AIS) erinnern aber doch eher an Almosenpolitik. (Die Erhöhung der TVA dagegen ist knallharte Finanzpolitik, welche die sozial Schwächsten voll trifft.) Die angekündigte Reform des RMG-Gesetzes ist zwar einerseits positiv, da u.a. auch die unter 25-Jährigen davon profitieren können sollen. Andererseits soll aber in Zukunft der Akzent auf die berufliche Wiedereingliederung gelegt werden. Man darf gespannt sein, wie das in der Praxis aussieht.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Der soziale Frieden in Luxemburg ist seit Jahrzehnten ein „Verkaufsargument“, wenn es darum geht, ausländische Unternehmen ins Land zu locken. Dieser Friede kommt nicht von ungefähr und ist nicht umsonst zu haben. „Sozialer Frieden“ bedeute nicht nur, dass Firmen sich nicht zu sorgen brauchen, dass von einem Tag auf den nächsten die Belegschaft streikt. Sozialer Frieden bedeutet auch, dass Menschen nicht auf der Straße für elementare Bedürfnisse kämpfen müssen. Sozialer Frieden für die einen bedeutet soziale Absicherung für die anderen, die ganz unten stehen.

Wachsende soziale Misere

Jeder ist seines Glückes Schmied, argumentieren die Gegner eines Sozialsystems, das die Ärmsten der Gesellschaft davon abhält, buchstäblich vor dem Nichts zu stehen. Hier nur einige Zahlen, die man nicht oft genug wiederholen kann und die zeigen, dass Luxemburg noch lange nicht das Paradies ist, wie es ausländische Medien so gerne darstellen und auch hierzulande noch einige glauben.

Die Zahl der Haushalte, die mit dem garantierten Mindesteinkommen (RMG) auskommen müssen („allocation complémentaire“ und „indemnité d’insertion“ zusammengenommen) stieg von 9.989 (31.12.2012) auf 10.208. (31.12.2013). Daneben stieg seit Beginn der Krise im Jahr 2008 die Anzahl der verschuldeten Haushalte, die bei einem der „Services d’information et de conseil en matière de surendettement“ der „Ligue médico-sociale“ oder „Inter-Actions“ um Schuldenberatung baten. Wohlgemerkt handelt es sich bei den rund 425 Anträgen bei den beiden Organisationen (s. Tageblatt vom 12.3.2014) nicht nur um Kleinverdiener. Mit dem Gesetz vom 8. Januar 2013 – das erst am 1. Februar 2014 in Kraft getreten ist! – wurde endlich die Möglichkeit einer Privatinsolvenz in Luxemburg geschaffen, die den völlig verschuldeten Haushalten oder Einzelpersonen die Möglichkeit eines Neuanfangs gibt.

Und dann der Dauerbrenner Wohnungspreise. Nicht nur, dass die Kaufpreise schwindelerregende Höhen erreichen, auch die Mietpreise schließen sich dem an. Die Anzeige einer 15 m2 großen Wohnung für eine monatliche Miete um die 700 Euro hat mehr als einen schockiert. Die AIS bearbeitet jährlich zwischen 300 und 400 Anträgen von Haushalten, die sich nicht einmal die billigsten Wohnungen auf dem freien Markt leisten können.

Zyniker werden nun behaupten, dass 400 Anträge nicht viel sind, RMG-Empfänger sowieso faul sind und überschuldete Haushalte selber schuld an ihrer Lage sind. Fakt ist jedoch, dass all dies Ausdruck einer wachsenden sozialen Misere ist. Und ein kleines Land kann es sich nicht leisten, einfach zuzuschauen. Ein starkes Sozialnetz ist keineswegs die Vorstufe zum Kommunismus, sondern die Garantie, dass die Gesellschaft in schweren Zeiten nicht durch soziale Spannungen aus den Fugen gerät.