Sogar Angela Merkel bewegt sich. Berlin sieht nun endlich ein, dass der Schutzwall für die Eurozone doch erhöht werden muss. Dass es Sinn ergibt, die Gelder der beiden Rettungsschirme EFSF und ESM zusammenzulegen. Dadurch könnte man sich der 1.000 Milliarden nähern, die seit langem von Marktteilnehmern wie von vielen Mitgliedern des Internationalen Währungsfonds gefordert werden.
Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu
Dieser Denkschritt kommt keine Sekunde zu früh. Es mehren sich nach Griechenland die Zeichen, dass einige schon wieder dabei sind zu testen, wie solide Portugal, Spanien, Irland oder Italien sind.
Der andere Punkt, in den endlich so etwas wie Bewegung kommt, betrifft das Wachstum. Nachdem sich Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker vor zwei Wochen dazu bekannt hatte, dass Europa in Griechenland in puncto Wachstum zu wenig unternommen hatte, scheint sich so langsam der öffentliche Diskurs zu drehen. Angefangen komischerweise bei den Ratingagenturen, beim IWF und bei der OECD.
Vorbei also die Zeiten, als Merkel und Co. die europäischen Krisenstaaten undifferenziert dazu aufriefen, den Gürtel enger zu schnallen und dabei noch darauf pochten, die Staaten sollten dies doch „en bon père de famille“ tun?
Das bleibt noch zu beweisen.
Dieses Bild stimmt jedenfalls von vorne bis hinten nicht, wie vor kurzem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman den öffentlichen Diskurs entlarvte. Staaten sind nun mal keine Familien. Wenn Familien den Gürtel enger schnallen, dann leidet „nur“ die Lebensqualität unter dieser Maßnahme.
Gehen Staaten allerdings diesen Weg, dann heißen hier die Konsequenzen neben einer Verminderung der „Lebensqualität“ allerdings auch mehr Arbeitslose und zwangsläufig weniger Einkommen. Die einseitige Austerität ist weder sozial noch wirtschaftlich sinnvoll. Schlimmer: Sie verstärkt, wie man in Griechenland sieht, den Teufelskreis.
Kein Wunder demnach, dass viele Griechen meinen, man würde an ihnen ein Exempel statuieren und sie für die durch die Politik verursachten Fehler jetzt bestrafen wollen.
Es gibt gute und schlechte Ausgaben. Es gibt sogar in Zeiten hoher Staatsverschuldung gute neue Verschuldung, gute neue Defizite, wenn sie dazu dienen, den Wirtschaftsmotor auf Trab zu bringen und langfristige Renditen abzuliefern.
Mehr Europa, mehr Staat
Ein weiteres Dogma, das erneut vermehrt die Runde macht, gehört auch schleunigst wieder abgeschafft: Es ist eine Mär, zu glauben, dass die Wirtschaft ohne staatliche Impulse in Form z.B. von Investitionen auskommt. Keine Volkswirtschaft dieser Welt, nicht die amerikanische, auch nicht die deutsche und schon gar nicht die chinesische, lebt davon, dass sich der Staat allein darauf beschränkt, den ordnungspolitischen Rahmen zu setzen. Manchmal benötigen sogar die im Nachhinein rentabelsten Wirtschaftssektoren den staatlich geförderten Anlauf.
Was dies anbelangt, galt Europas Politik einst als wegweisend. Die Instrumente zur Umsetzung der Politik bestehen seit langem und haben sich tausend Mal bewährt. Nur müssen sich auch hier der politische Diskurs und die politische Fokussierung in Europa ändern, damit man der Wachstumspolitik wieder eine Chance gibt.
Noch ist es allerdings so, dass sich die Deutschen vor Inflation fürchten – zu Recht oder zu Unrecht, das hängt von den Maßnahmen der EZB ab – und die Bundeskanzlerin davor, dass dem Wirtschaftskreislauf so etwas wie staatliche Impulse guttun könnten. Dies definitiv zu Unrecht.
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