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Siamesische Zwillinge

Siamesische Zwillinge

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In Luxemburg gibt es derzeit rund 500 Berufsjournalisten, das heißt vom Luxemburger Presserat anerkannte Journalisten. Diese Zahl ist im Laufe des letzten Jahres zurückgegangen, nachdem sie in all den Vorjahren stetig angestiegen war. Den Journalisten diametral gegenüber stehen die sogenannten „Communicateurs“, die PR-Leute und Mitarbeiter von Presseabteilungen, sei dies in Ministerien, in Verwaltungen, in Schulen, in Krankenhäusern, in Altersheimen, ja eigentlich überall.

Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

„Siamesische Zwillinge“ – derart pointiert beschreibt man das Verhältnis von PR und Journalismus in einer Studie zu dem Thema „Programmatische Emergenz von Journalismus und Public Relations“. Inwieweit die beiden gesellschaftlichen Funktionsbereiche allerdings tatsächlich „miteinander verwachsen“ sind, ist eine offene Frage. Zumindest das Bild einer geschwisterlichen Beziehung scheint in manchen Köpfen herumzugeistern, mit all den Widersprüchen zwischen Nähe und Distanz, die eine solche Beziehung prägen.

Dass Journalismus und Public Relations sich in ihren Funktionen ergänzen und somit aufeinander bezogen sind, ist kaum infrage zu stellen. Doch sollte man sich als Journalist darüber im Klaren sein, dass diese Kommunikatoren von ihrer Firma oder ihrer Verwaltung nicht etwa eingestellt wurden, um den Medienschaffenden das Leben leichter zu gestalten. Die Aufgabe dieser Leute besteht, im Gegenteil, darin, die Informationen so weit zu filtern, dass nur das nach außen dringt, was dem Arbeitgeber des Kommunikators auch genehm ist.

Allen voran geht hier Vater Staat, der sich inzwischen einen Informations- und Pressedienst eingerichtet hat, der allein schon personalmäßig gesehen alle Redaktionen von Zeitungen, Radio- oder Fernsehsendern übertrumpft. Informationen dringen scheibchenweise nach außen, und wird der Boden unter ihren Füßen einmal heiß, dann schweigt der ganze Apparat, weil „der Chef“ (also der Staatschef) das so will. Das Gleiche geschieht übrigens bei Hofe. Auch hier sickert nur das durch, was genehm ist. Zu allen anderen Fragen gibt man keine Auskunft. Von Pressesprechern kann also keinesfalls die Rede sein.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese und andere – der Pressedienst der Polizei ist hier ein Musterbeispiel – PR-Abteilungen über lange Jahre hinweg alle Muskeln haben spielen lassen, um eine gewisse Monopolstellung zu erreichen, was das Weiterleiten von Informationen anbelangt. Damit verbunden ist, dass die Mitarbeiter dieser Abteilungen die Arbeit der Journalisten übernehmen. Bei einem schweren Unfall – um nur dieses Beispiel zu nennen – ist es heute Usus, dass ein PR-Mann der Polizei vor Ort aufkreuzt, um Fotos und einen dazugehörenden Text, die natürlich wieder zuerst die bereits erwähnte „Filteranlage“ passiert haben, an die Presse weiterzugeben. Dazu macht er dann auch noch Filmaufnahmen, die via das Millionen Euro teuere „Police-TV“ gestreut werden, und twittert und facebookt.

Der Pressedienst der Polizei war aber vor Jahren so verstanden worden, dass er die Journalisten schnellstmöglich über folgenschwere Zwischenfälle kurz und bündig in Kenntnis setzt, damit Letztere die Möglichkeit haben, sich selbst vor Ort zu begeben, ihre journalistische Arbeit zu tun, selbst zu recherchieren, sich ihr Bild des Geschehens zu machen usw. Wie gesagt: Das hier ist nur ein Beispiel von vielen.