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Shopping mit Automatik

Shopping  mit Automatik

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Sie sind bereits Kunde?

In den Vereinigten Staaten wird Schätzungen zufolge heute bereits jede zehnte Kasse von Kunden bedient.

In den europäischen Ländern befindet sich das Phänomen des Do-it-yourself-Einkaufs ebenfalls auf dem Vormarsch. Auch in Luxemburg setzten verschiedene Supermärkte in einigen ihrer Geschäfte auf das Modell der Kasse ohne Kassierer.

Michelle Cloos

mcloos@tageblatt.lu

Im Supermarkt der Zukunft scannt, wiegt und bezahlt der Kunde seine Waren fortan selbst. Mühelos, stressfrei und vor allem schnell sollte es eigentlich sein, das voll automatisierte Shoppen. Doch in Wirklichkeit braucht man nicht lange zu analysieren, bis man die Kehrseite dieser technologischen Neuerung erkennt. Negative Aspekte gibt es nämlich gleich mehrere.

Zum Ersten stellt sich oftmals ein ganz pragmatisches Problem. Viele Kunden benötigen Assistenz von einer tatsächlichen Person, um beim Bedienen der Maschinen klarzukommen. Und das gilt nicht nur für Senioren, die wenig Erfahrung mit moderner Technologie haben. Zahlreiche Kunden stehen hilflos vor den Automaten und blicken verdutzt um sich, auf der Suche nach einem ratgebenden Angestellten. Im Falle einer technischen Fehlfunktion ist der Kunde dann ganz verloren.

Vorgetäuschte Effizienz

Das traditionelle Einkaufen ist auch mit einem sozialen Aspekt verbunden, der bei den Automatik-Kassen völlig wegfällt. Es gibt keinen menschlichen Kontakt mehr, nur noch den Kunden und die Technik. Das passt vielleicht in die Logik einer neoliberalen Gesellschaft, die auf Effizienz, Rentabilität und Profitmaximierung ausgerichtet ist und bei der die kurze Konversation mit dem Kassierer folglich als unnötige Zeitverschwendung angesehen wird. Um eine positive gesellschaftliche Entwicklung handelt es sich hierbei aber ganz sicher nicht.

In den Billigsupermärkten mit möglichst wenig Personal – das kostet nämlich Geld – und viel Automatik sind die Kunden keineswegs entspannter. Im Gegenteil, die Hektik und die unpersönliche Atmosphäre schüren Gereiztheit, Ungeduld und Nervosität. Die „Geiz ist geil“-Mentalität, die zu einer obsessiven Kostenreduzierungs-Manie führt, erreicht ihre Grenzen vielleicht eher als gedacht. Denn Preis und Rapidität sind nicht die einzigen Kriterien, die die Menschen beim Shoppen in Betracht ziehen.

Ob man durch das Ersetzen von Menschen durch Automaten auch tatsächlich Zeit – die ja bekanntlich Geld ist – spart, ist zudem umstritten. So fand das deutsche Handelsforschungsunternehmen EHI beispielsweise heraus, dass der Kassiervorgang durch die Mitarbeit der Kunden nicht verkürzt wird, sondern manchmal sogar länger dauern kann. Nur die subjektiv gefühlte Wartezeit beim Kunden werde reduziert, schlussfolgerte das EHI. Die Effizienz der automatischen Kasse ist also nicht gegeben.

Die Gewerkschaften in zahlreichen Ländern blicken der Tendenz zur Selbstbedienung der Kunden außerdem zu Recht mit Argwohn entgegen. Denn die Kassen ohne Kassierer ermöglichen ein Einkaufen ohne Personal oder zumindest mit weniger Personal. Sollte sich diese Entwicklung bestätigen, würden künftig viel weniger Arbeitsplätze in den Einkaufsstätten, die sich für dieses Modell entscheiden, geschaffen. Und gerade in einer Zeit der steigenden Arbeitslosigkeit und einer Jugendarbeitslosigkeit, die europaweit eine dramatische Dimension erreicht hat, sollte ein solches Phänomen gesellschaftliche und politische Bedenken wecken.