Er hat seine Aussage zwar unmittelbar nach den ersten erregten Reaktionen revidiert und erklärt, er sei missverstanden worden. Doch beliebter hat sich Italiens Premier Mario Monti unter Europas Parlamentariern mit seinem rezenten Spiegel-Interview nicht gemacht. Darin hat der selbst nie in seinen Posten gewählte Technokrat die Regierungen Europas aufgerufen, sich von ihren Parlamenten nicht an die kurze Leine legen zu lassen, um Entscheidungen zur Euro-Rettung zu treffen.
Die entfachte Entrüstung ist zwar teilweise ob des politischen Sommerlochs bei dem einen oder anderen ansonsten eher auf den Hinterbänken angesiedelten Abgeordneten deutlicher (sprich medialer) als im normalen Betrieb ausgefallen, in der Essenz aber durchaus verständlich und nachvollziehbar.
Denn wie nicht wenige Kritiker zu Recht monierten, sind es nicht die Parlamente, die bisher einer erfolgreichen Bekämpfung der Krise im Wege standen oder diese gar gänzlich verhindert hätten. Wenn die Parlamente eine Rolle in der derzeitigen Krise haben, dann die, dass sie ihrerseits ihre jeweiligen Regierungen (im Zusammenspiel mit den diversen Interessengruppen) an der zu langen Leine gelassen bzw. zu lange nur zugeschaut und schlicht und ergreifend ihre Rolle als Gesetzgeber und als Kontrollorgan der Exekutive nicht streng und konsequent genug wahrgenommen haben (wenn man den Parlamenten kein bewusstes Nichthandeln unterstellen will).
Montis Kritik an der Rolle der Parlamente bezüglich der aktuellen, zuweilen etwas ratlos und verzweifelt anmutenden Suche nach einem Ausweg aus der Schuldenkrise indes ist aber haltlos.
Über diese nicht unpolemische Diskussion hinaus darf man aber nicht vergessen, dass einzelne Parlamentarier bis hin zu ganzen Parlamenten nicht ganz schuldlos daran sind, dass sie sich in unregelmäßigen Abständen unbequemen Fragen hinsichtlich ihrer Funktionsweise und letzten Endes nach ihrer Daseinsberechtigung gegenübersehen.
Das Beispiel Krautmarkt
Nehmen wir, zwecks Veranschaulichung, das naheliegendste Beispiel: die „Chamber“. Die diesbezügliche Theorie besagt, dass, wie bei dieser Demokratieform üblich, dem Parlament neben der legislativen Rolle und der Kontrolle der Regierung auch die Orientierung der politischen Debatte und die Nominierungen für einige klar definierte Posten in den Zuständigkeitsbereich der Volksvertreter fallen. Dies klingt wichtig und ist es eigentlich auch. Nur leider liegen zwischen Theorie und Wirklichkeit zuweilen Welten.
Vereinfacht dargestellt, beschränkt sich die Chamber in ihrer aktuellen Form und Zusammensetzung zumeist nämlich einzig und allein darauf, von der Regierung eingebrachte Entwürfe (in manchen Fällen sogar im wahrsten Sinne des Wortes) einfach „durchzuwinken“.
Sicherlich, zuerst wird der Entwurf in der zuständigen Kommission unter Berücksichtigung vor allem des Gutachtens des Staatsrats diskutiert und überarbeitet (Chamberpräsident Laurent Mosar wird denn auch nicht müde, darauf hinzuweisen, welch enorme Arbeit in den Ausschüssen geleistet wird). An der Essenz eines Entwurfs ändert dies in den meisten Fällen aber kaum etwas. Wenn die Koalition auf Regierungsebene gesprochen hat, dann nickt die Koalition auf Parlamentsebene. Externe Kontrolle und konstruktive Kritik sehen anders aus.
Und auch auf die Opposition kann man nicht so recht zählen. Einerseits hat sie zahlenmäßig ohnehin kaum Durchschlagskraft, andererseits ist sie, wie im Dossier Wickringen/Liwingen gesehen, immer nur bereit, Kritik bis zu einem weit unter der Schmerzgrenze von CSV und LSAP gelegenen Punkt zu üben.
Da verwundert es auch nicht, dass alles in allem die politische Debatte oder Orientierung im Parlament auch nicht sonderlich floriert. Dazu mangelt es zu sehr, so hart dies auch klingen mag, an brillanten Köpfen, an gewieften Rhetorikern und an Querdenkern. Stattdessen ist Krautmarkt von einer Riege an stramm stehenden Parteisoldaten besetzt. „Nur nicht anders denken, nur nicht gegen die Parteilinie verstoßen und brav die zugestandene Redezeit einhalten“ (auch wenn man dazu das bereits Gesagte wieder und wieder nachplappern muss), dies scheint die Devise allerseits zu sein.
Das ist sicherlich angenehmer (lies weniger anstrengend) für die Damen und Herren auf Krautmarkt, richtige politische Diskussionen und Auseinandersetzungen und damit verbunden dringend benötigte innovative Ideen und revolutionäre Zukunftspläne entstehen so aber nicht.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können