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Schmutziger Kick

Schmutziger Kick
(dpa)

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Seit 1998 ist Sepp Blatter Präsident des mächtigsten, weil reichsten Sportverbands der Welt, der FIFA.

Seine Amtszeit ist gepflastert mit Skandalen, die dem weltweiten Herrscher über den Fußball, abgesehen von einem angekratzten Image, nie etwas anhaben konnten. Auch jetzt steht Blatter wieder im Mittelpunkt einer Korruptionsaffäre. Wobei er, nachdem die ersten Rücktrittsforderungen laut wurden, doch recht unverfroren feststellte: „Über die Position des FIFA-Präsidenten kann nur der Kongress entscheiden, nicht ich.“

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Ein mittelmäßiger Mittelstürmer war der Schweizer zu seiner aktiven Zeit, beruflich versuchte er sich zunächst als Journalist und PR-Manager. Blatters Leben veränderte sich radikal, als er 1975 unter dem damaligen Präsidenten João Havelange in den Fußball-Weltverband FIFA einstieg. Havelanges Ziehsohn brauchte lediglich sechs Jahre, um zum Generalsekretär berufen zu werden.

Seit einer Woche steht eben jener Havelange im Mittelpunkt der neuesten FIFA-Korruptionsaffäre. Wobei „neu“ relativ ist, denn dass Schmiergelder in Höhe von fast 110 Millionen Euro vom langjährigen FIFA-Partner, der Sportmarketingfirma ISL, geflossen sind, ist bereits seit einigen Jahren bekannt. Millionenbeträge kassierten u.a. Havelange und dessen damaliger Schwiegersohn Ricardo Teixeira. Letzterer war bis vor Kurzem Präsident des brasilianischen Fußballverbands und Drahtzieher der erfolgreichen Bewerbung seines Landes für die Weltmeisterschaft 2014. Dabei handelte er allem Anschein nach einen Vertrag aus, nach dem er die Hälfte des WM-Gewinns einstreichen darf. Für etwaige Verluste dagegen steht der Verband gerade. 2011 sagte der Fußball-Pate Brasiliens der Süddeutschen Zeitung, er könne „jede Untat begehen, die er will“.

Der Konter

So ähnlich mag auch Sepp Blatter räsonieren. Wie sonst ist seine lamentable Reaktion auf die Rücktrittsgesuche aus Deutschland zu verstehen?

Beleidigt konterte der Schweizer am Wochenende mit einem Korruptionsvorwurf gegen die deutschen WM-Bewerber von 2006 und rückte damit seinen ohnehin von all den Affären schon arg gebeutelten Verband noch weiter ins schlechte Licht. So reagiert nur einer, der die Bodenhaftung verloren hat und schon vor langer Zeit seine Person über die Interessen der Sache, also des Fußballs, gestellt hat.

Sein Gegenangriff war aber auch ein Ablenkungsmanöver. Denn sicher ist seit vergangener Woche, dass Blatter log, als er behauptete, vor dem ISL-Konkurs im Jahr 2001 nichts von Schmiergeldzahlungen gewusst zu haben. Eine FIFA-Erklärung machte die Sache vergangene Woche nur noch schlimmer. Blatter bezeichnete darin Schmiergelder als Provisionen, die man damals „als Geschäftsaufwand sogar von den Steuern“ habe absetzen können. In dieser Sache könne man nicht die heutigen Maßstäbe anlegen, so Blatters Schlussfolgerung: „Ich kann also nicht von einem Delikt gewusst haben, welches keines war.“ Darauf muss man erst mal kommen! Und das wenige Tage, bevor Blatter stolz die neue FIFA-Ethikkommission der Öffentlichkeit vorstellte.

Seit 1998 ist Blatter Präsident des Fußball-Weltverbands. Bereits seine Wahl war von Korruptionsvorwürfen überschattet. Genau wie seine späteren Wiederwahlen, die er sich u.a. dank der Hilfe seines langjährigen Vizepräsidenten Jack Warner sicherte. Der garantierte Blatter bei den Präsidentenwahlen die Stimmen der Mitglieder des nord- und mittelamerikanischen Fußballverbands, dem er vorstand. Im Gegenzug erhielt Garner die WM-TV-Rechte für die Karibik zu einem Spottpreis. All dies ist genauso unglaublich wie die skurrile Doppel-WM-Vergabe an Russland und Katar.

Trotz alledem sieht sich Blatter eher als Wohl- denn als Missetäter. Schließlich ist es hauptsächlich ihm zu verdanken, dass aus einem fast bankrotten Sportverband ein Welt-Unternehmen mit der Lizenz zum Gelddrucken wurde. Zu Blatters Selbstverständnis gehört auch, dass er sich für einen ernsthaften Kandidaten für den Friedensnobelpreis hält. Schließlich hat er die Weltmeisterschaft nach Afrika gebracht.

In der Öffentlichkeit aber steht „seine“ FIFA als Synonym für Korruption. Das dämmert auch Blatter, weshalb er vor einem Jahr in einem Interview im deutschen Fernsehen auf fast schon entwaffnende Art auf Fragen zur Korruptionsbekämpfung innerhalb seines Verbandes antwortete: „Wenn wir auf dieses Thema eingehen würden, können wir das ganze Gebilde (gemeint ist die FIFA) einreißen.“ Für dieses ganze Gebilde trägt Blatter seit 1998 die Verantwortung. Dass es neben konkreten Anschuldigungen auch so etwas wie eine moralische Verantwortung gibt, kommt Blatter nicht in den Sinn. Sie wissen schon, über die Position des Präsidenten kann nur der Kongress entscheiden … und für den Rest gibt es seit gestern eine Ethikkommission.