Im Jahr 2003 registrierte die Polizei 509 Gewaltdelikte gegen Personen, die von Jugendlichen unter 25 Jahren verübt wurden; 2007 überstieg die Zahl die 1.000er Marke auf 1.127; im vorigen Jahr waren es 1.432. Ob diese Zahlen nun tatsächlich ein steigendes Gewaltpotenzial bei den Jugendlichen dokumentieren oder ob die Polizei besser arbeitet, mag eine berechtigte Frage sein. Allerdings überschneiden sich die Statistiken mit den Erfahrungen von Jugendarbeitern (s. Tageblatt vom 16.7.2012). Die Anzahl aller Jugendstraftaten geht zwar zurück, doch die Jugendlichen scheinen immer weniger davor zurückzuschrecken, bei Meinungsverschiedenheiten auf schlagende Argumente zu setzen.
Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu
Verantwortliche für Jugendarbeit bei der Polizei wie auch Sozialarbeiter weisen auf parallele gesellschaftliche Entwicklungen hin, die vielen so nicht passen, aber nicht von der Hand zu weisen sind. Da wäre zum Ersten die Verherrlichung der Gewalt in Kunst und Medien. Die Frage, ob die Kunst, sei es Musik oder Film, die Realität nur darstellt oder ob sie darüber hinaus zum Nachahmen ermuntert, ist an sich belanglos. Ein Jugendarbeiter meinte, die Texte einiger Rapper seien so schlimm, sie müssten verboten werden. Angesichts der Tatsache, dass es z.B. verboten ist, Fremdenhass zu predigen, muss auch die Frage nach einer Zensur in der Kunst erlaubt sein, wenn diese Gewalt predigt. Das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass die Gesellschaft in dieser Frage nicht konsequent handelt. Die Befürworter von Zensur in der Kunst müssen sich allerdings sagen lassen, dass nicht alle Jugendlichen, die sich Gewaltvideos ansehen, auch gewalttätig werden, und dass es auch schon Gewalttäter gab, bevor es Videos gab.
Die zweite parallele Entwicklung in der Gesellschaft – und dieses Argument wird nicht nur von einer Minderheit vertreten – ist das Aufkommen in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten von alleinerziehenden Eltern. Eine weitere Analyse dieser parallelen Phänomene ist zweifellos vonnöten. Die erste Form von Jugendgewalt sei die Gewalt von Jugendlichen gegen sich selbst, sagte uns kürzlich ein Jugendarbeiter. Und einer seiner Kollegen ergänzte: Gewalt, die von Jugendlichen ausgehe, sei oft ein Hilfeschrei, ein Ruf nach Anerkennung und Zuwendung. Dies würde im Zusammenhang mit dem Phänomen der „familles monoparentales“ logisch erscheinen. Nun ist es zwar übertrieben, zu behaupten, dass jedes Kind, das ohne Vater oder Mutter aufwächst, sich alleine fühlte und deshalb gewalttätig würde. Ignorieren sollte man diese Phänomene jedoch nicht.
Nodeem d’Kand am Pëtz läit
Man soll nicht warten „bis d’Kand am Pëtz läit“ – allerdings ist es genau das, was passiert. Reagiert wird erst, wenn es zu Gewaltausbrüchen gekommen ist. Gewalttäter werden verwarnt oder eingesperrt; oder Cafés wird die späte Sperrstunde verweigert, wenn es zu wiederholten Schlägereien vor ihrer Tür kam.
In Sachen Prävention geschieht allerdings wenig. Die Polizei hält zwar in allen Schulklassen ab dem sechsten Schuljahr bis zum zweiten Jahr Sekundarschule ein paar Stunden Gewaltprävention. Weitergehende Programme gibt es kaum. Öffentliche Gelder, um Gewalttäter von ihrem Weltbild abzubringen, gibt es aber wenig bis gar nicht. Sogar wenn die Staatsanwaltschaft bei einem Jugendlichen eine Anti-Gewalt-Therapie anordnet, muss der Betroffene diese selbst bezahlen. Die Nachfrage nach solchen Kursen ist unseren Informationen zufolge groß, doch dem Staat scheint an einer „Heilung“ von gewalttätigen Jugendlichen nichts zu liegen. Opferprävention – denn darum geht es in Gewalttherapien auch – ist halt teuer, Wegsperren dagegen einfacher.
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