Innenministerin Joëlle Milquet (CDH) hat unter dem Druck der dramatischen Ereignisse den Transportgewerkschaften zugesagt, die Zahl der Sicherheitsbrigaden zu verstärken und deren Kompetenzen auszuweiten. Bis Oktober 2013 sollen zudem 400 zusätzliche Polizisten eingestellt werden.
" class="infobox_img" />Léon Marx lmarx@tageblatt.lu
Das klamme Belgien investiert in die personelle Aufstockung seiner Polizei. Mehr öffentliche Gewalt gegen die zunehmende Gewalt in der Öffentlichkeit.
Problem erkannt, Problem gelöst? Wenn es denn so einfach wäre … Die Realität sieht leider anders aus. Nicht nur in Belgien. Auch in anderen Ländern. Und Luxemburg bildet da keine Ausnahme. Auch hierzulande nimmt die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft generell zu.
Seit 2009, innerhalb von nur drei Jahren, hat sich die Zahl der „incidents sureté“ bei der CFL fast verdoppelt.
Knapp 800 Vorfälle wurden 2011 registriert, davon 224, bei denen es zu körperlicher Gewalt gegen Bahnpersonal kam. Vandalismus und ungebührliches Benehmen gehören praktisch zur Normalität auf einzelnen Strecken und zu bestimmten Stunden.
Dabei hatte auch die luxemburgische Bahn 2006 nach einer Reihe von Angriffen auf Kontrolleure aufgerüstet. In einzelnen Zügen werden seither zu bestimmten Zeiten nur noch „Doppelpacks“ (ein Kontrolleur und ein Sicherheitsbeamter) eingesetzt. Und trotzdem kam es am 14. Dezember 2011 zu dem bislang brutalsten Übergriff. Vor laufenden Überwachungskameras wurde ein Mann so brutal zusammengeschlagen, dass er auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt werden musste.
Ein verachtenswerter, verurteilenswerter Vorfall. Doch: Verkehrte Welt: Entrüsteter als auf die Tat selbst reagierten breite Teile der Gesellschaft darauf, dass die Staatsanwaltschaft sich – erstmals in Luxemburg – dazu entschloss, die Videobilder zu veröffentlichen, um so die Täter zu ermitteln.
Was tun? Alle paar Jahre eine Aktualitätsdebatte im Parlament organisieren, wie das 2000 und 2008 der Fall war und es jetzt, 2012, wieder von der ADR gefordert wird?
Dass sich Gewalt nicht mit noch mehr Gewalt bekämpfen lässt, den Beweis dafür liefern Schlagzeilen, die uns regelmäßig, auch in diesen Wochen wieder, aus Amerika erreichen. Ein Land, in dem es Anfang des 21. Jahrhunderts noch Polizisten gibt, die nach reinstem Wildwest/„Law and order“-Muster agieren. Und Gerichte, die nicht vor der Todesstrafe zurückschrecken.
Eine Gesellschaft am Abgrund
Die wachsende Gewaltbereitschaft ist in weiten Teilen der westlichen Welt zu einem gesellschaftlichen Problem ersten Ranges geworden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Individuelle Ausraster gehören dazu. Natürlich. Aber in erster Linie sind es die wachsenden sozialen Unterschiede, Ungerechtigkeiten, Egoismus, ein genereller Werteverfall und – auch das muss man leider immer öfter feststellen – eine rasant um sich greifende Sprachlosigkeit als Folge einer glücklosen Bildungspolitik und eines falsch verstandenen Medienkonsums.
„Mir fehlen die Worte, ich hab die Worte nicht, dir zu sagen, was ich fühl’“, heißt es im Song von Tim Bendzko mit dem sinnigen Titel „Wenn Worte meine Sprache wären“.
Wer sich die Zeit nimmt, einmal in Schulen und Pausenhöfe reinzuhören, dem wird schlagartig bewusst, auf welch gefährlichem Kurs diese Gesellschaft ist.
Wo schon in einer normalen Diskussion der übliche Wortschatz nicht mehr ausreicht, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen, was bleibt da am Ende noch außer „schlagenden“ Argumenten …?
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