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Robert Goebbels: «Lob für einen Grünen»

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ESCH/ALZETTE - Der Grünen-Chef Bausch hatte offensichtlich einen Hintergedanken bei der Forderung nach Staatssekretären. Er benötigte jemanden, der ihm die Drecksarbeit abnimmt.

Während der Verhandlungen um die Dreierkoalition waren es ausgerechnet die Grünen, die auf eine Ausweitung der Regierung auf 18 Personen drängten. Bei einer Regierungsmannschaft von 15 Mitgliedern hätten die Grünen als kleinste Regierungspartei drei Minister stellen dürfen. Die angeblich so paritätsbewusste Partei mit ihren obligaten Doppelspitzen bei Wahlen forderte vier Regierungsposten, um wenigstens eine Quotenfrau zu nominieren. So wurde die nicht direkt gewählte Carole Dieschbourg Ministerin. Der Asterix aus Beckerich, Camille Gira, musste sich mit einem Posten als Staatssekretär begnügen.

Doch der smarte Grünen-Chef Bausch hatte offensichtlich einen Hintergedanken bei der Forderung nach Staatssekretären. Er benötigte jemanden, der ihm die Drecksarbeit abnimmt. Zum Beispiel die Genehmigung der neuen Asphaltfabrik im Industriegebiet „um Monkeler“.

Solange die Grünen noch in der Opposition waren, wetterten sie lokal wie national gegen das Projekt Asphaltfabrik. Ein Abgeordneter namens Gira richtete im letzten Herbst eine kritische Anfrage an die damalige Regierung. Minister Schanck versprach, die überlange Genehmigungsprozedur noch vor dem Regierungswechsel zu entscheiden. Doch hinterließ er die heiße Kartoffel lieber seinen Nachfolgern, dem grünen Dreigestirn Bausch-Dieschbourg-Gira.

Eigentlich ist es Camille Gira hoch anzurechnen, dass er den politischen Mut aufbrachte, sich der Einsicht zu unterwerfen, das Projekt der Firma Lisé sei nun lange genug aus Gründen der bei allen Parteien weitverbreiteten politischen Feigheit hinausgezögert worden. In einem Rechtsstaat müssen die zuständigen Regierungsstellen eine Genehmigung erteilen, wenn alle Vorschriften beachtet und alle Auflagen akzeptiert sind.

Das haben die Grünen nicht immer so gesehen. Das wollen auch manche Kommunalpolitiker nicht zugeben, wenn sie mit Bürgerprotesten konfrontiert sind. So manchem scheint es politisch ertragreicher, mit den Wölfen zu heulen.

Wir leben in einem Land, in dem die meisten Mitbürger einen Wagen haben und von Staat wie Gemeinden ein gut asphaltiertes Straßennetz erwarten. Selbst Radfahrer bevorzugen Radwege mit Asphaltbelag anstelle von Schotterpisten. Asphalt gehört zum Alltag. Asphalt muss hergestellt werden. Doch «nicht in meinen Hinterhof», nicht in der direkten Nachbarschaft von Bürgern, deren Besorgnisse prompt von Interessenvereinen, Parteisektionen oder Umweltinitiativen genährt werden.

Mit den Zauberworten «Umwelt-» oder gar «Gesundheitsrisiken» kann man überall des Volkes Zorn schüren. Dann wird der Asphalt vor der Tür zwar als eine Selbstverständlichkeit hingenommen, dessen Herstellung aber zu einem unzumutbaren Risiko hochstilisiert.

Wohlgemerkt nur für diejenigen, die glauben, im Dunstkreis einer Asphaltfabrik leben zu müssen. Den Rest des Landes kratzen solch lokale Sorgen nicht. Würde Staatssekretär Gira dem «wohlgemeinten» Ratschlag eines Escher Lokalpolitikers nachkommen, die Asphaltfabrik Lisé in seinem heimatlichen Beckerich anzusiedeln, kämen die Sorgen der Escher, Schifflinger und Monnericher sofort zum Erliegen. Dann würde eben der Volkszorn um Beckerich aufkochen.

Irgendwo wird schnell nirgendwo

Eines der Hauptprobleme unseres Landes ist die steigende Scheu der Politik, Verantwortung zu übernehmen. Wenn neue Infrastrukturen benötigt werden, müssen sie auch irgendwo realisiert werden. Doch irgendwo wird schnell zum Nirgendwo. Denn Anrainerproteste gibt es gegen alles. Angesichts von Bürgerprotesten, wie wenig repräsentativ sie auch sein mögen, geht die Politik meistens in Deckung.

Ein Minister, ein Staatssekretär, ein Bürgermeister, der ein Infrastrukturproblem lösen will, steht auf einsamem Posten. Er wird angefeindet über Petitionen, Leserbriefe und in «sozialen» Medien. Es gehört ein starkes politisches Rückgrat dazu, dem von vielen Seiten geschürten Volkszorn zu widerstehen. Zumal selbst politische Freunde lieber in Deckung bleiben.

Oft werden schwierige Entscheidungen kommissioniert, werden Studien und Gutachten erstellt, die keiner liest. Vorgefasste Standpunkte sind nicht mit Argumenten zu überbrücken.

Viele Investoren verzweifeln an den langwierigen Prozeduren. Der Pingpong zwischen Staat und Gemeinden ist eigentlich nur der Ausdruck des mangelnden Entscheidungsmutes der Politik. Zumal bekannt ist, dass die Verwaltungsgerichte meistens das letzte Wort haben.

Vor einer Reihe Jahren wollte ein Investor in der Gewerbezone einer Randgemeinde der Stadt Luxemburg eine Fabrik errichten, in der ausgediente Fernsehapparate in ihre Bestandteile zerlegt werden sollten, um anschließend in Deutschland entsorgt zu werden. Alles im Sinne der nachhaltigen Entwicklung, der Wiederverwertung von Materialien. Verbunden mit der Schaffung mehrerer Dutzend Arbeitsplätze für Unqualifizierte.

Doch es sollte nicht dazu kommen. Der zuständige Gemeinderat beschloss in einer Geheimsitzung mit allen Stimmen von CSV, LSAP, DP und Grünen, der in jeder guten Stube thronende Fernseher werde zu «Giftmüll», einmal in seine Bestandteile zerlegt!

So ist es mit Asphalt, mit Betonmischanlagen, ja selbst mit Bauschuttdeponien. Vor einigen Monaten verweigerte die Gemeinde Leudelingen die Anlage eine Bauschuttdeponie auf ihrem Territorium.

Oder die Irrfahrt der neuen Anlagen des landwirtschaftlichen Verbandes, die letztlich Unterschlupf jenseits der Mosel fanden und für Arbeitsplätze in Deutschland sorgten.

Die lieben Standortdiskussionen

Der politische Diskurs in Luxemburg hat eine Vorliebe für Standortdiskussionen. Da kann jeder mitreden und geschwollen von Lebensqualität, Umweltschutz und Landesplanung faseln, vor allem aber eine Entscheidung verhindern. Ja zum Tram, aber nicht in der Avenue de la Liberté. Ja zu neuen Eisenbahnlinien, aber nicht durch Ballungsgebiete. Ja zu einer neuen Tankstelle an der Saarautobahn, aber nicht in der Nachbarschaft von Mondorf. Einige Regierungsmitglieder verdanken ihr neues Amt solch inzwischen verdrängten politischen Schwüren.

Noch widersprüchlicher ist die Haltung aller Parteien gegenüber der Industriepolitik. Jedes Parteiprogramm fordert mehr Arbeitsplätze in diesem Bereich, aber neue Industrien werden selbst in ausgewiesenen Industriezonen wie z.B. «um Monkeler» kaum geduldet.

Quer durch den politischen Gemüsegarten wird der industrielle Schrumpfungsprozess von ArcelorMittal kritisiert. Aber würde Herr Mittal sich hergeben, ein neues integriertes Stahlwerk in Luxemburg zu errichten, wäre kein Standort zu finden. Die Genehmigungsprozeduren würden an Umweltverträglichkeitsstudien und anderen Verhinderungsprozeduren scheitern.

Als die CSV noch allein selig machend war, gehörte es zur Regierungskultur, Probleme auszusitzen. DP und vor allem LSAP sind bei den jüngsten Wahlen mit der Forderung angetreten, Genehmigungsprozeduren zu straffen. Die Hauptverhinderungspartei waren bislang die Grünen, die, wie der «Lëtzebuerger Bauer» dieser Tage treffend schrieb, «in jedem Kuhfladen einen Biotop» wittern.

Zumindest Staatssekretär Gira hatte nunmehr den Mut, ein seit Jahren schleppendes Dossier auf Regierungsebene abzuschließen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidungsfreudigkeit anhält, selbst wenn die zuständigen Minister sich vornehm zurückhalten.