Über die Kamera unseres Smartphones legen wir am liebsten den – ach, waren die Sechzigerjahre schön – Sepia-Filter, als Brille hätten wir gerne die unserer Großmutter und wenn die nicht mehr zu finden ist, wenigstens eine auf alt gemachte, und die Rockhal ist vor allem dann ausverkauft, wenn die alten Rockgrößen – von Deep Purple bis Johnny Hallyday – auftreten. Oder wenn die jungen Stars und Sternchen à la Lana del Rey den 80er-Jahre-Pop recyclen.
Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu
Da passt doch ein etwas in die Jahre gekommener, gesundheitlich angeschlagener James Bond wie die Faust aufs Auge: Den die bedrohliche, da unkontrollierbare Cyber-Kriminalität bis in den hintersten Winkel beherrschenden Bösewicht bringt er mit einem stinknormalen Küchenmesser zu Fall. Menschlicher Mut besiegt technischen Fortschritt. Das gefällt uns. Die gute alte Zeit, wir trauern ihr hinterher. Als das Gute und das Böse sich noch diametral gegenüberstanden, als unsere Zukunft (Schule, Job, Familie) noch planbar war, als der Aufbruch als Motor der Gesellschaft fungierte und nicht die Angst zu unserer mentalen Grundausstattung gehörte. Die Angst vor dem sozialen Abrutschen, die Angst vor den Verlusten monetärer Art, die Angst vor einer ungewissen Zukunft ohne greifbare Perspektiven.
Da ist doch ein Küchenmesser im Rücken des Feindes wie Balsam auf der Seele. Denn ein Küchenmesser hat jeder in der Schublade, während das Know-how für den richtigen Umgang in der digitalen Welt etwa den meisten weiterhin fehlt.
Zahnheilkunde
Es gab sie schon immer, die konservativen Miesepeter, die dem Fortschritt ihrer Zeit kategorisch negativ gegenüberstanden. Spätestens in der zweiten Lebenshälfte neigen viele Menschen nun mal dazu, die Vergangenheit in warmen Farben und die Gegenwart mit kritischen Augen zu betrachten. Das „Früher war alles besser“-Lamento ist so alt wie die Menschheit selbst. Deshalb jedoch nicht weniger falsch.
Es war der amerikanische Schriftsteller P.J. O’Rourke, der mit einem Wort die Mär von der guten alten Zeit widerlegte: „Zahnheilkunde“. Doch nicht nur die Kunst der Zahnärzte ist humaner geworden. Nahezu alle Zahlen, mit denen man – wenn überhaupt – Lebensqualität messen kann, sehen besser aus als vor 100, 50 oder 25 Jahren: Die Lebenserwartung ist gestiegen, Kindersterblichkeit gesunken. Die Zahl der Analphabeten nimmt weltweit ab, die der Demokratien kontinuierlich zu. Und homosexuelle Bürgermeister sind mittlerweile so normal wie heterosexuelle.
Wer hätte zumindest Letzteres in den ach so schönen Sechzigerjahren gedacht? Damals, als die Jugend trotz Vietnam-Krieg und Eisernem Vorhang dem Frust der Alten trotzte? Mit viel rauchen, viel tanzen, viel lieben und viel den Autoritäten ans Bein pinkeln?
Heute scheint die Jugend das Privileg verloren zu haben, anders zu denken und radikaler zu sein als jene Generationen, die sie auf die Welt brachten. Nostalgie ist selbst zur Jugendkultur geworden. Das liegt sicherlich an der immer komplexer werdenden Gesellschaft, in der wir leben, an den realen und nicht von der Hand zu weisenden „Unsicherheitsfaktoren“.
Doch können sich die jungen Generationen Nostalgie nicht mehr bzw. noch nicht leisten. Denn ihnen gehört die Zukunft, ob sie wollen oder nicht. Eine Zukunft, in der nicht nur mit dem Internet gearbeitet, sondern in ihm gelebt wird und in der es „so nicht weitergehen kann“. Sie werden den Scherbenhaufen nach der Party aufkehren müssen.
Gespannt erwarten wir den neuen James Bond. Zwar mit dem alten Craig, aber einem neuen „M“ und einem ganz jungen „Q“. Er wird uns den Weg zeigen, wie es weitergehen muss, damit das Gute siegt. Ganz bestimmt!
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